Bericht von Zahntechnikermeisterin Juliane Albrecht

Im April dieses Jahres war es nun so weit, mein Togo-Einsatz stand an. Am Flughafen in Paris traf ich das erste Mal auf meine Mitstreiter. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde konnten wir uns schon grob kennenlernen und wussten nun, mit wem wir dieses Abenteuer für die nächsten zwei Wochen verbringen würden.

Unser Team

  • ZA Christian Berndt (GL/AD)
  • ZA Stephan Olek (GL/AD)
  • ZA Heng Chen (AD)
  • ZA Rüdiger Oesterheld (AD)
  • Birgitt Henning (ADH)
  • Nicole Fandre (ADH)
  • Juliane Albrecht (ADT)
  • Aimé Quamdessou (PME/PMG)

Nach einigen Umstiegen landeten wir am Freitag, spät abends, in Lomé und mussten feststellen, dass drei Koffer in Paris zurückgeblieben waren. Auch unser 30-Tage-Visum, wurde uns bei der Einreise direkt auf 14 Tage gekürzt, mit dem Hinweis auf Nachzahlung beim zuständigen Amt in Lomé.

Nach dem Schreck am Flughafen wurden wir von einem Fahrer abgeholt und in ein Hotel in Lomé, direkt an der Küste gelegen, gebracht. Während der Fahrt war noch nicht viel von der lebhaften Hauptstadt zu erkennen, nur die Huperei der unzähligen Verkehrsteilnehmer ließ schon etwas von dem bunten und quirligen Leben erahnen.  Erster Eindruck:  Es ist warm, stickig und überall roch es nach verbrannter Kokosfaser.

In unserer Unterkunft trafen wir auf unseren Projektleiter Aimé. Er war schon ein paar Wochen vor uns in seine alte Heimat geflogen und hatte bereits vieles für uns organisiert. Darunter sämtliche Unterkünfte, einen Dolmetscher, einen Fahrer und zu unserer Beruhigung nun auch die Verlängerung der Visa.

Am ersten Morgen besprachen wir beim Frühstück den Tag und den weiteren Ablauf des Einsatzes. Hier erfuhren wir auch, dass eine Helferin nicht nachkommen wird und das gesamte Team nun final aus vier Zahnärzten, zwei Helferinnen und einer Technikerin besteht.

Am ersten Wochenende hatten wir noch etwas Zeit, um uns zu akklimatisieren und fuhren zunächst zum Lager, wo unsere Sachspenden (unter anderem ein halbes Labor), von dem schon im Februar verschickten Container, gelagert waren und nun von uns sortiert und für den Weitertransport in die beiden Krankenhäuser verstaut wurden (Es war geplant das Team in zwei Gruppen aufzuteilen und im Wechsel nach Aného und Akepe zu fahren).

Die zurückgebliebenen Koffer erreichten uns noch am Wochenende und somit war auch das letzte, für den Einsatz benötigte Material im Lande. Es war auch noch etwas Zeit, um sich in Lomé und Umgebung umzusehen und leckere togolesische Gerichte zu probieren.

In der ersten Woche starteten wir direkt in aller Früh von Lomé aus zu unserem jeweiligen Einsatzort. Ich war zunächst sehr aufgeregt, da ich noch nicht wusste was mich vor Ort erwarten würde und ob ich es schaffe, ein kleines Labor zum Laufen zu bringen. Natürlich hat man alles zuvor geplant, gepackt und Absprachen getroffen, aber in der Realität sehen viele Dinge ja bekanntlich anders aus.

Die Räumlichkeiten in Aného sind einfach, aber zu unserer Freude mit einer Klimaanlage ausgestattet. Es sind drei mobile Einheiten und Klappliegen vorhanden und in der Mitte des Raumes ein riesiger Tisch, auf dem wir alle zahnmedizinischen Instrumente sortieren konnten.

Da mein Laborraum noch nicht bezugsfertig war, unterstütze ich am ersten Tag das Behandlungsteam und ging quasi als Azubi in die Assistenz. Für mich als Technikerin eine spannende Erfahrung, da man sonst im Alltag eher weniger intensiven Patientenkontakt hat.

Ich lernte zum Beispiel wie und welche Spritzen man vorbereitet, welche Zange für den jeweils zu extrahierenden Zahn bestimmt ist, und dass der Geruch eines eröffneten Abszesses sogar bis abends in der Nase bleibt. Ein Gewinn auch im Zwischenmenschlichen: man lernt, ohne die Landesprache zu beherrschen, Patienten zu beruhigen und Mut zu zusprechen, was gerade bei Kindern eine sehr ergreifende Sache ist.

Am zweiten Tag war es nun soweit: „mein“ Laborraum war freigeräumt. Er lag etwas abgelegen von den Behandlungsräumen im Haupthaus. Ein Mitarbeiter des Krankenhauses, Dominique, begleitete mich den ganzen Tag, schaute mir über die Schulter und pendelte mit mir zwischen Labor und Praxis.

Der Raum war genauso übersichtlich wie die Behandlungsräume, aber mit Klimaanlage und einer einzigen chinesischen und nicht – wie vor Ort üblich – einer französischen Steckdose. Einen Wasser-, Gas- oder Druckluftanschluss gab es nicht, ebenso keinen Kompressor. Aber dafür standen mir drei Tische und etliche Stühle zur Verfügung.

Mit einer großen Plastikwanne besorgte ich mir ausreichend Wasser, um damit zunächst die Modellherstellung in Gang zu bringen. Mit ein paar Handgriffen, einem noch schnell organisierten Adapterstecker und einem Verlängerungskabel war das Labor schnell eingerichtet und nun tatsächlich betriebsbereit.Stolz konnten wir nun die ersten Alginat-Abdrücke abformen und die Skepsis der Patienten, wich der Vorfreude auf ein neues Lächeln.

Zu Beginn hatte ich noch das Bestreben die ersten Modelle zu beschleifen. Allerdings hat sich das – mangels einer Absaugung – und nach einer Freiluft Fräsaktion, mit einer starker Staubentwicklung und vielen neugierigen Zuschauern von der benachbarten Impfstation, gleich wieder erledigt. Es galt nun „Funktion vor Optik“ und die Arbeitsabläufe mussten so angepasst werden, dass möglichst wenig Staub entsteht.

Dominique konnte nach ein paar Übungen eigenständig Modelle ausgießen, um mich ab da tatkräftig zu unterstützen.

Zum Polymerisieren stand ein Drucktopf zur Verfügung, den ich mit einem Wasserkocher und einer wiederaufladbaren, elektrischen Fahrradpumpe betreiben konnte, das Prozedere klappte erstaunlich gut und die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Da auch ein kleines Ultraschallbad zur Verfügung stand, störte das Fehlen eines Dampfstrahlers nicht.

Stolz konnte ich in der ersten Woche schon sechs Interimsprothesen fertigen, zumal bei selbigen die Herausforderung darin bestand, die Klammerpositionen möglichst so zu finden, um für einen einzelnen Frontzahn die Basisausdehnung nicht allzu üppig gestalten zu müssen. Das war allerdings bei den vorgefundenen Bisssituationen nahezu unmöglich, da selbst noch sehr junge Patienten unglaublich stark abradierte, fast plane Kauflächen aufwiesen.

Da unser Einsatz im regionalen Radio schon vorab angekündigt worden war, steigerten sich im Laufe der Woche auch stetig die Anfragen nach Zahnersatz. Selbst aus dem benachbarten Benin trafen nun Patienten ein. Das “Open-Air-Wartezimmer“ war stets gefüllt und die Patienten, trotz der langen Wartezeiten und der Hitze, unglaublich geduldig.

Gegen Ende der Woche ging unser Alginat-Vorrat zuneige. Es brauchte ein paar Tage und Telefonate bis Aimé neues Alginat auftreiben konnte. Bis dahin ging ich wieder in die Assistenz und durfte viele Extraktionen sehen, die bei den festen Kiefern, gar nicht so einfach durchzuführen sind.

Nach Feierabend hatten wir regelmäßig die Gelegenheit die Region Aného besser kennen zu lernen, zum Beispiel bei einer Bootsfahrt oder beim Besuch eines Voodoo Tempels.

Auch in der Folgewoche startete ich zunächst wieder in der Assistenz, bis die ersten Alginate abgeformt werden konnten. Das neue Alginat stellte sich allerdings als nicht zuverlässig dar und es gab einige Abdruckwiederholungen. Trotz alledem konnte ich in der zweiten Woche noch insgesamt 14 weitere Interimsprothesen fertigstellen.

Es hieß nun auch bald für uns wieder Koffer packen. Aber zuvor fuhren wir am letzten Arbeitstag noch zu einer Schule zur Aufklärung und Prophylaxe, um mit den Kindern Zähne putzen zu üben.

Natürlich gab es auch für jedes Kind eine Zahnbürste und die von mir mitgebrachten kleinen Taschen mit Buntstiften, Malheften und Stickern. Die Freude über unseren Besuch ist riesig und als kleines Dankeschön bekommen wir sogar ein Ständchen. Was für ein bewegender Abschluss für einen außerordentlichen Einsatz, der uns allen viel abverlangt hat, aber auch unglaublich viel gegeben hat.

Schlussendlich ist es dem unserem Team in den zwei Wochen gelungen – trotz Unterbesetzung – einen adäquaten Behandlungsablauf auf die Beine zu stellen und ein kleines, vereinfachtes Labor zu realisieren, welches noch viel Potential birgt.

Ich bin sehr dankbar und voller Respekt gegenüber meinen Team-Kollegen, die mit mir dieses aufregende und nicht immer einfache Projekt so erfolgreich umsetzen konnten. Dank vor allem auch an Aimé, der stets alles reibungslos für uns koordiniert und organisiert hat.


Zahnärzte ohne Grenzen bittet um Unterstützung:
Altgoldsammeln für ein neues Kinderlächeln

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