von Dr. Wolfgang Lapp (E-Mail: wolfganglapp [at] t-online.de)
Hilfseinsatz in Siavonga (Sambia), Februar 2016
Bei strahlendem Sonnenschein und trocken-heißem Wetter, mit Temperaturen an die 40° C, kam ich mitten in der „Regenzeit“ in Lusaka, der Hauptstadt Sambias, am 12. Februar 2016 an.
Am Airport erwartete mich ein Fahrer namens Mose, der mich zur Sandy Beach Lodge nahe Siavonga, am Kariba-Stausee, ganz im Süden Sambias brachte. Dies sollte für die nächsten zwei Wochen mein Domizil sein und Mose mein Fahrer für alle Einsatztouren, um unter der Flagge der Stiftung Zahnärzte ohne Grenzen | Dentists without Limits Foundation (DWLF) tätig werden zu können.
Das Wochenende, eigentlich zu Eingewöhnung und Akklimatisierung gedacht, wurde gleich in ein tolles Eintauchen in das lokale Leben umgewandelt: Der Lodgebesitzer Hermann Striedl, ein äußerst aktiver und leutseliger Bayer, lebt seit 46 Jahren in Sambia. Im Nebenberuf Hobbymusiker mit zahlreichen Auftritten im ganzen Land, lud mich „Mr. Herman“, wie er überall respektvoll genannt wird, am Samstagabend zu einer stimmungsvollen Tanzveranstaltung auf dem Hausboot ein.
Ab Montag, den 15.2.2016, fand die Einführung im Dental Department des lokalen Hospitals in Siavonga statt. Hier lernte ich die beiden Dental Therapists Ms. Muja und Mr. Jonathan kennen.
Wegen der fehlenden Zahnärzte in den ländlichen Regionen Sambias werden dezentral der Hauptstadt Lusaka diese – mir bislang unbekannte – Art von Behandlern ausgebildet. Die Ausbildung dauert drei Jahre und ist vergleichbar mit unserem dualen Studium. Der Unterricht an einer staatlichen Schule alterniert mit dem sechswöchigen Blockpraktikum in einer Zahnklinik. Er umfasst die Aufklärung, Prophylaxe mit Fluoridierung und Zahnreinigung, die Konservierung (ohne Endodontie!), Röntgen, Anästhesien (auch Leitungen) und Extraktionen (ohne Osteotomien).
Nach Abschluss der Ausbildung – die meisten Absolventen sind etwas über 20 Jahre alt – verstärken sie zunächst die vorhandenen Teams und stellen später als alleinige Behandler die Grundversorgung in ländlichen Gebieten sicher. Oft ist dies für die heimische Bevölkerung der erste, weil besser erreichbare Kontakt mit der Zahnmedizin.
Von Dienstag bis Freitag der Woche fuhren wir im Umkreis von bis zu 70 km entfernte Villages, in denen sich ein „Medical center“ befindet. Dieses ist als Anlaufstelle für die Landbevölkerung zu sehen – ein kleines Häuschen, welches von einem nichtärztlichen Regierungsmitarbeiter betreut wird und in dem eher Beratung als Behandlung stattfindet.
Für die Zahnmedizin gab es hier jeweils einen kleinen Raum, oft mit einer Behandlungseinheit, manchmal aber auch nur mit einem einfachen Stuhl. Dazu ein Schrank mit den grundlegenden Materialien für Desinfektion, Reinigung und Wartung. Um die einfachste Schmerzbehandlung durchzuführen, bedarf es nur wenig: Spiegel, Spritze, Zange, Hebel, Tupfer!
Bei solchem Einsatz wird klar, wie einfach und gleichzeitig wirksam Entwicklungshilfe sein kann.
Wenn wir morgens ankamen, saßen seit Stunden geduldig wartend über zehn Patienten vor der Türe. Der Zustrom schien auch mit fortlaufender Behandlung nicht abzunehmen. Und keiner drängelte, jeder hatte Zeit, wie schön! Am Schluss waren es meist mehr als 30 überaus dankbare Patienten, die um mindestens einen Zahn erleichtert ihren Heimweg antraten und – bis auf weiteres – auf ihre stets verabreichten „Painkiller“ verzichten konnten. Die darauffolgende Woche begann wieder im Hospital von Siavonga.
Als ich das zweite Mal ins Dental Department des Krankenhauses kam, fiel mir an der Wand eines der Behandlungszimmer ein Kalender auf. Bei Frage nach der Werbeaussage des Kalenders nahm niemand Anstoß. Plötzlich schallendes Gelächter: Er war von einer Firma für Karamellbonbons gesponsert mit den schönsten Fotos derselben. Es erübrigt sich darauf hinzuweisen, dass dieser seit Jahren immer wieder neu geliefert wurde. Direkt an der Reparaturquelle schien einfach der „geeignete“ Ort dafür zu sein. Schnell ergriff Mr. Jonathan eine Schere und trennte Werbung und Kalender, sodass in diesem Raum jetzt nur noch Monate und Tage angezeigt werden!
Dienstag und Mittwoch konnte ich im Mtendere Mission Hospital in Chirundu arbeiten. Durch Unterstützung der Diözese Mailand entstand hier für einen großen Einzugsbereich ein regionales Krankenhaus auf erstaunlich hohem Niveau. Der Bereich Dental Care unter der Leitung der – trotz fortgeschrittener Schwangerschaft – sehr engagierten und wissbegierigen Dental Therapist Mrs. Angela war mit zwei gut funktionierenden Behandlungseinheiten ausgestattet. Hier war ein deutlich höheres Zahnbewusstsein anzutreffen. Der Wunsch nach Zahnerhaltung und Zahnreinigung war ausgeprägter als bisher gesehen. Nach getaner Arbeit gab es hier leckere Cucina italiana!
Donnerstag und Freitag waren wir dann wieder „countryside“.
Neben den üblichen Schmerzbehand-lungen wurden auch ganze Schulen untersucht und in der Gruppe aufge-klärt. Vom Klassenlehrer wurde genau Protokoll geführt, wer sich in Behandlung begeben musste. Somit konnten alle Behandlungsbedürftigen Kinder systematisch erfasst werden, was maßgeblich zur Verbesserung der Zahngesundheit der stadtferneren Bevölkerung beitragen wird.
Selbstverständlich wollten sich alle Lehrer/-innen im Anschluss an ihre Klassen auch durchchecken lassen. Und wenn schon dabei, bitte gleich noch die Therapie. So kam es, dass an einer Schule noch geschwind fünf Extraktionen durchgeführt wurden, in Ermangelung eines Behandlungszim-mers halt in der Schulbücherei!
Es ist geplant, die zahnärztliche Versorgung im zweiwöchigen Rhythmus auf Dauer einzurichten. In diesem Zeitabstand sollen einheimische Dental Therapists vorbeikommen, unterstützt oder vertreten durch Mitarbeiter von DWLF. Ich halte dies für ein einfaches, hochfunktionsfähiges Konzept für die zahnärztliche Versorgung der Bevölkerung in diesem Teil von Sambia. Nicht zuletzt ist es auch Verdienst von Mitinitiator Hermann Striedl, der mit viel Energie unablässig an dessen weiterem Ausbau vor Ort arbeitet.
Nach zwei Wochen reichlicher, aber erfüllender Arbeit wurden noch ein paar Tage Urlaub angehängt. Auf eine Safari durch den Livingstone Game Park und einem Sunset Cruise auf dem Sambesi River folgte eine Besichtigung der gigantischen Victoria-Wasserfälle von sambischer und simbabwischer Seite aus. Ein eindrucksvolles Erlebnis, das alleine schon eine Reise wert ist.
In Erinnerung bleiben die herzliche Aufnahme im Gastland, die Fröhlichkeit der Menschen, die Dankbarkeit der Patienten und die Schönheit von Landschaft und Natur.
Gerne werde ich wiederkommen!
Dr. Wolfgang Lapp
Röteweg 9
D-79104 Freiburg