Bericht von Jennifer Brüggenkoch

Beginn eines neuen Abenteuers

Anfang Februar ging es für mich auf meinen zweiten Einsatz mit DWLF, in die neue Dental Clinic nach Kabwe. Kurz vor Weihnachten erhielt ich den Anruf und plötzlich war klar: Es geht wieder los! Ein neues Abenteuer wartet auf mich. Bis kurz vor Beginn der Reise wusste ich eigentlich nur wo der Einsatzort ist, wo wir schlafen werden, und ich hatte ein paar Mal mit meinen Mitreisenden via WhatsApp geschrieben. Viel mehr Infos hatte ich nicht. Ich war super aufgeregt und gespannt, was mich erwarten würde. Das Besondere an diesem Einsatz: Ein Pioniereinsatz! Nur eine Gruppe war bisher vor uns dort, die die neue Dental Clinic in Kabwe eingerichtet hatte. Wir sollten das Projekt nun weiterführen. Eine spannende Aufgabe.

Eine Woche vor dem Einsatz hatten wir dann ein Video-Meeting mit dem Aufbauteam in Kabwe. Sie gaben uns bereits einige hilfreiche Tipps, wir konnten noch offene Fragen klären und schonmal einen kleinen Vorgeschmack auf unseren Einsatz bekommen. Außerdem sandten sie uns eine Liste mit noch benötigten Materialien, die wir dann kurzfristig beschaffen mussten.

Muli shani – Hallo wie geht’s?

Am Freitag den 31.1. ging es dann endlich los. Mit zwei prall gefüllten Koffern und meinem Handgepäck reiste ich zuerst allein von Berlin nach Frankfurt, wo ich meine Mitreisende, Muminah Mohabbat, traf. Von dort reisten wir gemeinsam weiter nach Addis Abeba. Wir hatten den Flug über schon viel Zeit, uns ein wenig kennen zu lernen. In Äthiopien gelandet trafen wir auf Dr. Hans Hugo Wilms. Bei einer Tasse Tee im Flughafen stellten wir uns kurz vor und plauderten über unsere Erfahrungen. Von hier flogen wir gemeinsam nach Lusaka in Sambia. Nachdem auch unser Gepäck endlich vollständig angekommen war, wurden wir draußen von Dr. Wolfgang Pehl, welcher die Zahnstation mit vielen Stunden an Arbeit geplant und nun auch vor Ort aufgebaut hat und Burkard Will, dem Besitzer der Lodge, in der wir die nächsten zwei Wochen wohnten, in Empfang genommen. Wir tauschten noch ein paar freundliche Worte und dann ging es auf den letzten Teil der Reise. Die dreistündige Autofahrt zur Lodge nach Kabwe. Burkard brachte uns sicher auf dieser doch sehr abenteuerlichen und durchaus nicht ungefährlichen Strecke wegen der vielen LKWs in unsere Unterkunft.

Das war unser Team:

  • Dr. Hans Hugo Wilms (GL/AD)
  • Muminah Mohabbat (als ADH)
  • Jennifer Brüggenkoch (ADH)

Der erste Tag – Erkundung

Am ersten Tag hatten wir die Gelegenheit Joachim Deinert kennenzulernen. Er stellt DWLF die Räumlichkeiten für die Dental Clinic zur Verfügung. Zudem hat er die immer weiterwachsende, gegenüberliegende Schule Twikatane geplant, gebaut und aus eigener Tasche finanziert. Für das Mittagessen, Kleidung der Schüler und das Lehrpersonal kommt er ebenfalls auf. Er und sein Freund Ramon zeigten uns alles und berichteten von den Anfängen des Projekts bis zum jetzigen Stand. Eine absolut bewundernswürdige Initiative!

Dann verschafften wir uns in der Clinic erstmal einen Überblick. Ich fühlte mich in den, meiner Meinung nach bereits sehr gut ausgestatteten und praktisch gestalteten Räumlichkeiten gleich wohl und freute mich bereits sehr auf die anstehende Arbeit!

Die tägliche Arbeit mit all ihren Herausforderungen

Unsere Arbeitstage waren eigentlich immer gleich und doch jeden Tag aufs Neue eine spannende und interessante Erfahrung. Langeweile war in den zwei Wochen ein Fremdwort. Schnell fanden wir gemeinsam als Team in einem neuen Alltag unsere Routine.

Selbstverständlich ging bei uns nichts ohne Strom. Da der Generator auf dem Gelände genau dastand, wo gerade die Appartements für die Teams ausgebaut werden, waren die Arbeiter natürlich nicht begeistert über den anhaltenden Lärm. In der ersten Woche hatten wir recht viel Sonne, weswegen der Generator oft nicht angeschaltet wurde und wir den Strom von der Solaranlage nutzen konnten. Wenn jedoch alle Geräte bei uns liefen und die Sonne mal schwächer wurde, hatten wir Stromaussetzer oder er versagte auch ganz. Dann musste wieder jemand loslaufen und darum bitten, dass der Generator angemacht wurde. Auch wenn wir morgens kamen, war natürlich noch nichts bereit. Also hieß es immer „We need power“, im Laufe des Tages war es dann „Power please“ und gegen Mittag kamen die Arbeiter immer schon zu uns und fragen: „Do you still need power?“. Auch wenn es nervig war, wurde es im Laufe der Zeit doch zu einem Running Gag.

Gegen circa 9 Uhr starteten wir mit unserer Arbeit an der Clinic. Nach einem leckeren Frühstück in der Lodge brachte Burkard uns jeden Morgen mit dem Auto von der Lodge zur Clinic. Jeden Tag war die Fahrt ein neues Abendteuer, da die Hälfte der Strecke nicht asphaltiert war, und man ständig den riesigen Löchern und „Seen“ ausweichen musste, die der Regen und die vielen Fahrzeuge hinterließen. Auf dem Weg zur Clinic winkten uns oft die Kinder zu und freuten sich, wenn man ihnen zurückwinkte.

An der Clinic warteten dann meist schon die ersten Patienten aus den umliegenden ärmlichen Hüttensiedlungen auf uns. Am Vormittag wurden aber zuerst die Schüler von der gegenüber liegenden Schule Twikatane behandelt. Am meisten freuten wir uns hier über die doch erstaunlich guten Befunde. Anschließend versorgten wir das Lehrpersonal mit deren Angehörigen. Nachmittags kamen die Menschen aus der Umgebung zur Behandlung. Leider waren hier die Befunde oft weitaus schlechter als bei den Schülern, auch bei vielen Kindern.

Da wir in einer kleinen Praxis arbeiteten, mussten auch all die anfallenden Aufgaben neben den eigentlichen Behandlungen wie in einer normalen Praxis erledigt werden: Patientenorganisation, Instrumente und Materialien auffüllen, die gebrauchten Instrumente aufbereiten und sterilisieren, Sauganlage und Einheit reinigen und alles, was sonst so dazu gehört. Als einzige ZFA auf dieser Reise sollte das wohl mein Part werden. Schnell war jedoch klar, dass hier alle mit anpacken, denn nur als Team kann man so einen Einsatz erfolgreich meistern. Also spülten auch Alle mal Instrumente und ich durfte sogar einen Milchzahn entfernen. Ich würde sagen: mehr Augenhöhe geht nicht.

Wir wussten im Voraus nie, was uns bei dem jeweiligen Patienten erwartete, daher hieß es gegen circa 16 Uhr immer: Noch ein letzter Patient. Leider saßen draußen aber noch viel mehr Menschen, die auf eine Behandlung und Schmerzbeseitigung warteten. Das Gefühl, diese Patienten, die schon so lange da draußen warteten, weg schicken zu müssen, war furchtbar. Wahrscheinlich hätten wir in den zwei Wochen durchgängig arbeiten können und dennoch am Ende Menschen wieder nach Hause schicken müssen. Es ist absolut beeindruckend, wie viel Geduld diese Menschen aufbringen. Manch einer wartete sieben oder acht Stunden, bis er endlich an der Reihe war. Für andere war der Weg zur Praxis an diesem Tag vielleicht auch umsonst gewesen.

Beeindruckt haben mich vor allem die Kinder, die so tapfer und still die Behandlung zuließen. Geweint wurde hier in den zwei Wochen fast gar nicht. Bei einer Dreijährigen konnten wir beispielsweise Füllungen legen und selbst wenn mal ein Zahn entfernt werden musste, war das selten ein Problem. Muminah war mit den Kindern immer unglaublich geduldig und erklärte und zeigte ihnen vor der Behandlung alles. Selbst die ängstlichen unter ihnen ließen sich am Ende mit Unterstützung ihrer Freunde behandeln!

Es kamen nicht nur Menschen mit Zahnschmerzen zu uns, sondern auch Menschen mit anderen gesundheitlichen Problemen, wie Sehschwächen, Ohrenschmerzen oder verstauchten Fußgelenken. Alle hofften, dass wir ihnen helfen können, was uns natürlich nicht möglich war. Glücklicherweise hatten wir ein paar alte Brillen aus Deutschland gefunden, die wir wenigen Menschen so gut es ging anpassen konnten.

Mittagspause

Das Highlight war unter anderem das Mittagessen an der Schule Twikatane. Jeden Mittag sind wir rüber zur Schule gegangen und haben mit den Kindern zu Mittag gegessen. Wir hatten das Gefühl, dass diese Zeit nicht nur für uns immer ein besonderes Erlebnis war, sondern auch für die Kinder. Sobald wir das Schulgelände betraten, umringten sie uns, nahmen uns teilweise an die Hand oder winkten uns einfach zu. Die Köchinnen an der Schule erwarteten uns bereits. Jeden Tag kochten sie riesige Mengen Nshima in zwei unvorstellbar großen Töpfen. Mit einer vermeintlichen Leichtigkeit rührten sie den Maisbrei in den Töpfen, bis er fertig war. Erst, als wir selbst mal mit dem großen Holzlöffel den Brei rühren durften, stellten wir fest, wie unglaublich anstrengend das war.

In der Zeit, bis das Essen fertig war, spielten wir mit den Kindern. Sie liebten Fotos und Videos von sich selbst! Damit konnte man sie eigentlich die ganze Zeit beschäftigen. Aber auch ein Spiel mit lediglich ein paar Steinen war immer wieder interessant. Wenn wir versuchten mitzuspielen, hatten wir gegen die Kinder keine Chance. Für sie war es immer einen Lacher wert, wenn wir wieder einmal kläglich scheiterten.

Ausflugreiches Wochenende

Am Wochenende hatten wir Glück mit dem Wetter, sodass wir einige Ausflüge unternehmen konnten. Am Samstag besuchten wir eine Schule mit angeschlossenem Waisenhaus einer irischen Hilfsorganisation, zu der uns Gerry Donohoe, der derzeitige Leiter, mitnahm. Ihn lernten wir bei uns in der Lodge kennen. Wir schauten einer Judo Class zu und trafen die 18 Jungs aus dem Shelter, die an der Schule wohnten. Trotz ihrer teils unglaublich traurigen Geschichten sprühten sie vor Lebensfreude und freuten sich über jede noch so kleine Aufmerksamkeit.

Anschließend ging es auf den gegenüberliegenden großen Markt. Hier herrschte ein buntes und lautstarkes Treiben. Für uns in Deutschland unvorstellbar, wie hier die Ware angepriesen wird. Jeder hier kämpft ums Überleben und versucht seine Ware zu verkaufen. Dennoch hat man nicht das Gefühl, dass es ein großes Konkurrenzdenken gibt. Es fühlt sich alles sehr harmonisch an. Hier scheint man noch füreinander da zu sein. Gerry zeigte uns noch ein bisschen von Kabwe, mit dem alten Minengelände. Das war sehr spannend und hier konnte man sehen und sich vorstellen, warum Kabwe auch als „eine der schmutzigsten Städte der Welt“ bezeichnet wird. Der ganze Staub auf dem Boden und in der Luft ist mit Schwermetallen belastet. Daher haben die Menschen hier oft viele gesundheitliche Probleme und meist keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Am Nachmittag nahm uns Evans Chibanga, die rechte Hand von Joachim Deinert, auf einen Ausflug zum Mulungushi River Resort und einer kleinen Bootstour mit. Schon die Fahrt dorthin war ein wahres Abenteuer, wir fuhren durch die Einöde und alle fragten sich, ob wir überhaupt das richtige Ziel erreichen würden. Mit einem kleinen Motorboot ging es dann auf den Fluss und wir drehten eine kleine Runde, wobei wir die aktuell absolut grüne Landschaft auf uns wirken lassen konnten.

Am Sonntag nahm uns Ezra, ein Arbeiter der Schule, mit in einen Gottesdienst in die Pentecostal Church. Der Besuch war so ganz anders, als wir es hier aus Deutschland kennen. Es wurde viel gesungen, und energisch gepredigt. Gegen Ende wurden alle „Neulinge“ herzlich begrüßt. Anschließend ging es auf eine Mini Safari auf eine riesige Farm. Dort konnten wir Wasserbüffel, Giraffen, Zebras und Antilopen beobachten. Wenn auch nicht in hundertprozentig freier Wildbahn, wahr es dennoch ein unglaubliches Gefühl, die Tiere teilweise ganz ohne Zaun dazwischen zu erleben. Am Ende besuchten wir noch Ezras Familie zu Hause. Auch dort wurden wir herzlich empfangen und bekamen Tee und Kuchen.

Rückblick

In den zwei Wochen konnten wir insgesamt 276 Patienten behandeln. Wir führten 266 Kontrollen durch, konnten 117 Zähne mit Füllungen erhalten und mussten leider 284 Zähne entfernen. Der Behandlungsbedarf bei den Menschen ist riesig. Meistens haben wir nur Schmerzbehandlungen durchgeführt, um in unserer kurzen Zeit so vielen Menschen wie möglich helfen zu können.

Die Zeit hier in Kabwe wird mich noch sehr lange begleiten. So viel Armut zu sehen, so viele traurige Geschichten zu hören, und gleichzeitig auch so viel Lebensfreude und Hoffnung zu erleben, ist ein Kontrast, den ich bis dato so nicht kannte. Ich bin überzeugt davon, dass wir wahnsinnig viel von den Menschen lernen können und wir einfach mal einen Schritt zurücktreten sollten, um uns wieder bewusst zu machen, wie gut es uns geht!


Zahnärzte ohne Grenzen bittet um Unterstützung:
Altgoldsammeln für ein neues Kinderlächeln

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