von Dr. Peter Drescher (E-Mail: dreschernotice [at] me.com)
Nach zweimaligem Einsatz in Sambia wollten wir gerne etwas Neues auf dem afrikanischen Kontinent erleben und somit starteten wir am 25.07. 2019 mit „Air Namibia „gen Windhoek.
Wir, das sind meine Lebensgefährtin Dr. Marion Roeschke, meine Mitarbeiterin Sabrina Köller (ZFA), die uns bis dato unbekannte Nancy Gruber (ZFA) und ich, Dr. Ernst Peter Drescher.
Im Vorfeld hatte ich mehrfach mit Stefan Rohr und Christian Reiter telefoniert. Wir bekamen zirka zwei Wochen vor Abflug einen Plan, an welchem Tag wir welche Klinik besuchen sollen und Stefan konnte viele wichtige Einzelheiten zu den jeweiligen Stationen berichten.
Um es nachfolgenden Gruppen zu erleichtern, möchte ich in diesem Bericht relativ detailliert auf die im Verlauf unserer Reise gemachten Erfahrungen eingehen, da dadurch hoffentlich viele Fragen, die wir uns gestellt hatten, im Vorfeld schon beantwortet werden können.
Grundsätzliches:
Man benötigt keine Impfungen außer den Üblichen (Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Hepatitis A+B). Sollte man vorhaben, von Namibia aus in ein afrikanisches Nachbarland aus zu reisen oder vorher aus einem anderen afrikanischen Land ein zu reisen, ist Gelbfieberimpfung Pflicht.
Alle Visa Angelegenheiten regelt DWLF-Sekretariat im Vorfeld.
Man bemühe sich frühzeitig um Flüge und reserviere sich einen Mietwagen. Wir sind gemäß DWLF-Empfehlung zu Value Car Rental und können diese Firma wärmstens empfehlen. Ich habe per E-Mail Kontakt aufgenommen und man erhält eine Reservierung, die nach Überweisung von 250 Euro gültig wird. Wir haben uns für einen Toyota Hilux Diesel entschieden mit Platz für 4 Personen und großer überdachter Ladefläche. Unser Gesamtpreis für 17 Tage und Platinum Versicherungspaket inklusive Airport-Transfer betrug ca. 1.600 Euro. Die eigentliche Buchung und Zahlung macht man dann einen Monat vor der Reise.
Zwei Wochen vor Abflug bekommt man neben allen sonstigen Informationen eine Liste benötigter Materialien. Außerdem schickt DWLF Dinge zum Mitnehmen.
Wir empfehlen die Mitnahme von Handschuhen, Mundschutz, Brillen und Lupen inklusive Beleuchtung. Man hat keine sonstige Beleuchtung beim Arbeiten. Es sind derzeit Unmengen Mundschutz und Handschuhe vor Ort; ob das allerdings in Zukunft so ist muss man nachfragen.
Es ist auch ratsam, ein wenig Antibiose mitzuführen. Die Versorgungslage ist variierend.
Alle Arten von Instrumenten, Winkelstücken, Bohrer etc. sind im Lager in ausreichender Menge. Gleiches gilt für Composit nebst Zubehör. Und 1.000 Karpulen Anästhesie, 500 kurze und 500 Lange Nadeln dazu sollte man mitnehmen.
Wir hatten insgesamt über 150 kg Gepäck; DWLF hilft bezüglich Übergepäck.
Wir empfehlen die Mitnahme von Zahnbürsten und Zahnpasta-Proben (Zahnpasta darf nicht ins Handgepäck! Flüssigkeit!) Bei Primark gibt es 5 Bürsten für 1 Euro, gut und stabil. Wir hatten 700 Bürsten mit und hätten noch mehr verschenken können. Die Leute sind sehr dankbar, auch der Polizist, der Grenzoffizier an der Veterinarian Border, alle Krankenhausmitarbeiter – einfach jeder.
Und was alle Kinder und Erwachsenen lieben sind Fußbälle; hatten wir zehn Stück dabei in nicht aufgeblasenem Zustand – und eine Ballpumpe. – Hätten gerne mehr sein dürfen.
Der Einsatz
Nach Ankunft in Windhoek wurden wir von einem Mitarbeiter der Mietwagenfirma abgeholt. Haben dort noch Geld gewechselt (empfehle 1.000 Euro zu wechseln, wobei man an allen Tankstellen und Unterkünften auch mit Visa bezahlen kann) und habe eine SIM-Karte für meinen portable mini Wi-Fi Router gekauft. Diese Ausgabe kann man sich allerdings sparen, da diese Systeme außerhalb größerer Städte auf Grund der schwachen Telefonnetze nicht funktionieren.
In Grootfontein gibt’s WLAN in der Unterkunft und während der zweiten Woche ist man knapp vier Tage weg von der Welt; – auch mal schön!
Am Flughafen stand ein netter Herr mit meinem Namen und der brachte uns zu Value Car Rental und wir bekamen eine gute Einweisung ins Fahren und ins Fahrzeug.
Man beachte, dass die Fahrzeuge mit einem GPS-Tracker ausgestattet sind. Soll heißen: Unfall bei zu hoher Geschwindigkeit als vom Vermieter erlaubt bedeutet KEINEN Versicherungsschutz!
Lassen Sie sich die Heckklappenschlösser genau erklären. Die sind etwas tricky.
Wir hatten uns für die erste Nacht im „African Kwela Guest House“, für 30 Euro pro Person inklusive Frühstücks, in zwei Doppelzimmern, eingemietet. Alles top.
Diesen Ankunftstag nutzten wir touristisch für Sightseeing Windhoek. Achtung: Keine Koffer im Auto lassen, sondern in der Pension! Am Fleischmarkt, im Norden von Windhoek, war man gerade mit dem Aufbruch der Heckklappe beschäftigt als wir nach 20 Minuten zum Auto zurückkamen.
Wir wollten die Reise gen Norden nicht in einem Stück machen und haben nach 310 km in der „Waterberg Lodge“ die Nacht von Samstag auf Sonntag verbracht. Ganz nett aber nicht umwerfend. Könnte man auch noch was Charmanteres auf dem Weg finden.
Die nächste Station und das eigentliche Zuhause liegt bei Irmgard und Max Beyer in Grootfontain. Sie sind Namibier deutschen Ursprungs, sprechen perfektes Deutsch und hatten bis vor einigen Jahren die „Dornhügel Farm“. Mittlerweile wohnen sie in der Stadt und haben einen neugebauten Gästetrakt auf ihrem Grundstück, der an DWLF-People und andere nette Menschen vermietet wird. Kostete 1.000 Euro für uns vier für die zwei Wochen. Ist supergut und gemütlich ausgestattet mit Küche- und Livingroom, zwei Doppelzimmern, zwei Bädern mit sensationeller Dusche. Es gibt noch unabhängig davon ein Apartment für weitere Gäste, welches wir aber nicht besichtigt haben (www.beyer-namibia.com)
Mit Max hatte ich einige Wochen vor der Reise per E-Mail Kontakt aufgenommen und unsere Ankunft angekündigt. Wir tauschten unsere Handynummern aus und ich schickte ihm per WhatsApp unsere ungefähre Ankunftszeit. Wir trafen uns am SPAR-Markt Grootfontain, der unübersehbar ist.
Nach unserer Ankunft, Koffer auspacken etc. inspizierten wir die vorhandenen Geräte, Materialien und Instrumente. Man erhält vor der Reise von der DWLF Gebrauchsanleitungen, die nochmal alle vor Ort in einem Ordner vorliegen. Wir checkten die mobilen Einheiten und suchten uns zwei aus. Dann klappten wir probehalber die zwei klappbaren Behandlungsstühle auf, um zu wissen, wie das funktioniert. Man hat den ganzen Sonntagmittag Zeit, sich mit der Ausrüstung zu beschäftigen und das Auto zu packen.
Empfehlung: Zwei Stühle als erstes aufeinandergelegt ins Auto; darauf die leichteste Kiste (Hygiene), davor zwei Units aufrechtstehend; davor die flachere Kiste, wodurch eine Ebene mit eingebautem Wassertank entsteht; darauf die schwere Chirurgie-Kiste; rechts und links je eine Absaugung. Fertig.
Nachmittags haben wir den ersten Einkauf im SPAR gemacht. „Pick and Pay“ hat die größere Auswahl!!! Man versorgt sich selbst, also vom Frühstück bis zum Abendessen. Wir haben uns für den Tag mit Broten, Obst und Sonstigem versorgt; Tupperdosen sind vorhanden. Abends entweder noch etwas kochen oder in den wenigen Restaurants etwas essen gehen.
„Tigerquelle“ ist unser Favorit, eine Farm etwas außerhalb der Stadt aber nur wenige Minuten Fahrweg. Dort muss man sich aber mindestens einen Tag vorher anmelden, geht in deutscher Sprache „www.tigerquelle.com“
Sonntagabend ein schönes Barbecue auf Einladung von Irmgard und Max. Da gabs natürlich viel zu fragen und zu erzählen.
Erster Behandlungstag führte traditionell mit Max zusammen ins Hospital Grootfontein, um dort auf die Schnelle „Hallo“ zu sagen. Wir haben mit den zauberhaften Damen von der Sterilisationsabteilung ausgemacht, dass wir abends unsere Instrumente vorbeibringen und sie am Folgemorgen wieder abholen. Das erspart viel Arbeit nach einem langen Tag.
An manchen Tagen reichen die Instrumente nicht und dann muss man die vorhandenen Sterilisationstöpfe benutzen.
Dazu ACHTUNG: In den Töpfen ist ein Einsatz, die Trommel. Diese muss herausgenommen werden, BEVOR man 3,5 Liter Wasser einfüllt. Beim Reingießen des Wassers muss man die Heizspirale sehen können. Nach Einbringen des Wassers wird die Trommel, gefüllt mit den Instrumenten, eingesetzt. Dann das ganze Ding verschließen und an Strom anschließen. Alles Weitere gemäß Gebrauchsanweisung. Ich schreibe das so ausführlich, weil wir das System erstmal nicht so ganz durchschaut haben und deshalb zwei Heizspiralen geschrottet haben.
Im Hospital also Begrüßung einiger Funktionsträger sowie der freundlichen namibischen Zahnärztin Dr. Shaanika.
Danach fuhren wir gen Osten auf die B8 und knickten kurz drauf auf die Sandpiste C42 nach Otjituoo. Nach einer Stunde und 62 Km Fahrt kamen wir an. Alle Straßen sind gut beschildert. Vorheriges Anschauen auf Googlemaps hilft bei der Orientierung. Wenn man die Karte online geladen hat, kann man sie während der Fahrt offline anschauen.
Der Einsatz begann damit, dass Schwester Lenda, welche die Clinic dort schmeißt, nicht wusste, dass wir kommen. Wir sind „begeistert“. Das kennen wir aus Sambia schon, dass Informationsfluss oftmals keine afrikanische Stärke ist.
Trotzdem begannen Sabrina und Nancy mit dem Aufbau und Marion und ich drehten mit Lenda eine Runde durchs Dorf, um unsere Anwesenheit kund zu tun. Allein diese Rundtour war schon eine Reise wert. Sie zeigte uns Hütten und ihre Bewohner, bei deren Anblick wir nur staunen konnten. Sehr arm, sehr schmutzig, sehr traurig. Und Kinder über Kinder.
Wir begannen mit unserer Arbeit und über den Tag kamen 22 Patienten. Das ist für den Start ganz gut, wenn man nicht gleich am ersten Tag so in Beschlag genommen wird. Es sollte noch anders kommen.
Tag 2 führte uns nach Otavi, ein Ort 95 km westlich gelegen und auf der asphaltierten B8 in einer Stunde erreichbar – mit großem Einzugsbereich und dementsprechend viel zu tun.
Auf halber Strecke liegt Kombat, ein altes Minenstädtchen, wo wir kurz anhielten, um zu sagen, dass wir zwei Tage später dort sind. Diese Clinic ist gut informiert und freute sich auf unseren Besuch.
Jeder Patient in Namibia hat ein eigenes Gesundheitsheftchen, in das alle Befunde und Behandlungen des Patienten eingetragen werden. In Otavi bekamen wir gleich mal einen Schuhkarton dieser Heftchen hingestellt, der während des Tages stetig aufgefüllt wurde. Zwischendurch fuhr ich mit Sabrina und einer Krankenschwester in eine benachbarte Schule, wo wir ca 50 Kinder untersuchten. Die 13 Behandlungsbedürftigen erhielten von uns einen Holzmundspatel mit der Notiz, was zu machen ist, in die Hand gedrückt.
Wir arbeiteten bis 17:30 Uhr und nahmen nur unsere gebrauchten Instrumente zum Sterilisieren mit nach Grootfontein. Otavi ist eine 2-Tages-Station, wo man über Nacht das Equipment stehen lässt und bis Einbruch der Dunkelheit wieder nach Grootfontein zurückfährt.
Wir raten allerdings nachfolgenden Teams, in Otavi eine Nacht zu verbringen. Es gibt ein Guesthouse. Das spart 180 km Autofahren und man kann an Tag eins länger arbeiten und an Tag zwei früher anfangen.
An Tag zwei gab es dann nochmals so viele Patienten, dass wir um 17:00 Uhr abbrechen mussten, da wir sonst nicht mehr im Hellen nach Grootfontein gekommen wären. In zwei Tagen waren 120 Patienten gekommen und wir hatten über 130 Zähne gezogen, weitere 20 gefüllt und sogar noch Zahnreinigungen machen können.
Leider mussten über 20 Patienten auf das nächste Team im Oktober vertröstet werden.
Tag 4 führte wieder über die B8 nach Kombat, wo wir etwa 50 Patienten behandelten. Auffallend viele fragten nach Cleaning, was wir als Erfolg für die bisherigen Aktivitäten der DWLF empfinden.
Um 14:00 Uhr waren wir schon fertig und fuhren entspannt „nach Hause“.
Da Afrika freitags pünktlich um 14:00 Uhr das Wochenende einläutet, fuhren wir an Tag fünf entspannte 20 Kilometer gen Osten nach Berg Aukas. Dort liegt das „Rural Youth Emplorement Center“, eine Ansammlung mehrerer Schulen und Ausbildungsstätten auf einem alten Minengelände. Wir fragten am Eingang nach der Schule mit Direktorin, das ist die Primary School. Dort erhielten wir die Aula als Behandlungszimmer, inklusive einiger Reihen Stühle für die Wartenden, die uns interessiert zuschauten. Das Team war mittlerweile so gut eingespielt, dass sich eine ruhige und fröhliche Routine einstellte.
Gegen 14:00 Uhr sind alle außer uns nach Hause gegangen. Ein einziger zurückgebliebener Schüler half uns beim Verladen unserer Ausrüstung in unseren Jeep und freute sich sehr über ein paar Frühstücksbrote, die Marion ihm freudig überließ.
Am Abend genossen wir ein herrliches Essen in der „Tigerquelle“ und das Ende der Woche, nachdem wir alle benutzten Instrumente selbst sterilisiert hatten.
Von Samstag auf Sonntag verbrachten wir schöne Stunden im „Etosha Nationalpark„. Dafür bekommt man von Irmgard und Max Beyer kenntnisreiche Informationen. Wir haben in Namutoni – neben Halali die zweite Übernachtungsmöglichkeit im Park – Unterkunft gebucht und empfehlen dies gerne weiter.
Sonntagsmittags verließen wir den Park über das nördliche King Nehale Gate, wodurch der Heimweg zwar etwas länger wurde, aber dort oben gab es noch sehr viele Wildtiere zu sehen. – Nach unserer Rückkehr packten wir das Auto für den Aufbruch am nächsten Morgen ins Outback.
Wir starteten früh am Morgen, kurz nach sieben Uhr und erlebten eine lange Anfahrt von 200 km erst über die B8 nach Osten, dann auf die C44, eine Sandpiste und später auf die C3304. 1,5 km nach dem Abzweig auf diese letzte Piste liegt Linkerhand das „Kalahari New Hope Schulprojekt“. Diese Initiative wird von Rumänen betrieben und ist nicht ans namibische Kliniksystem angeschlossen.
Da die DWLF dieses Projekt trotzdem fördern möchte, haben wir einen Kurzabstecher dorthin gemacht, um unseren Besuch am Donnerstagnachmittag an zu melden.
Kurz drauf fuhren wir weiter gen Süden nach „Mangetti-Dune Hospital“, wo die Schweizer Ärztin Frau Dr. Bosshart praktiziert. Hier im Buschmannland herrscht große Armut. Wir bauten nur einen Stuhl auf und behandelten etwa 20 Patienten. Fußball und Zahnbürsten fanden erneut großen Anklang. Die Klinik scheint gut mit Material versorgt, alle Mitarbeiterinnen sind freundlich und bemüht, es fehlt wohl nur jemand mit Hausmeisterfunktion, der mal alle losen Schranktüren befestigt.
Es gibt täglich nur sporadisch Wasser, mit dem dann Bottiche gefüllt werden, um in der wasserfreien Zeit nicht auf dem Trockenen zu sitzen. Auf den Straßen türmte sich der Müll an den Rändern. Auf meine Frage „Who takes care fort he garbage?“ erhielt ich als Antwort „Nobody“. Es interessiert wirklich niemanden.
Wir fuhren die C3304 zurück bis auf die C44 und folgten dieser weiter bis Tsumkwe. Dort erwartete uns die „Tsumkwe Lodge“, die einzige Übernachtungsmöglichkeit dort und deshalb immer von den DWLF-Mitarbeitern gebucht.
Die Lodge ist preiswert, sauber und nett. Leider hatte ein Bungalow Geruchsproblemchen. Es gibt sowohl Frühstück als auch Dinner. Frühstücksbrote, Eier und Obst halfen über den Tag hinweg. Die Bar war mit Bier, Wein und Sonstigem gut sortiert.
Tag zwei der zweiten Woche führte uns nach Gam. Die erste Panne des Tages war das Nichterkennen des Abzweigs von der nach Osten Richtung Botswana führenden Sandpiste, die man an einem etwas verwaschenen Wegweiser nach rechts Richtung Süden abbiegen muss. Somit landeten wir an der Staatsgrenze zu Botswana, wo uns der Grenzoffizier grinsend den Weg wies.
Mit leichter Verspätung erreichten wir die Clinic in Gam. Dort saßen zwei wenig interessierte Mitarbeiterinnen hinter einem Empfangstisch und spielten in ihren Mobiltelefonen. „Hello, we are the dentists“ sagte ich und erntete dafür null Reaktion. Nachdem ich meine Anwesenheit durch stärkere Betonung von Habitus und Stimme mehr ins rechte Licht versuchte zu rücken, schaute dann eine der Damen zu mir auf und sagte, es gäbe nur zwei wartende Patienten, wovon aber eine gerade etwas anderes erledige. Das wollte ich zuerst mal nicht glauben, da wir von verschiedenen Seiten gehört hatten, dass in Gam immer eher mit großem Behandlungsbedarf zu rechnen sei.
Wie denn das sein könne fragte ich. Sie zeigten auf ein DIN A 4 Blatt an der Innenwand des Klinikbereiches, auf dem stand, dass am heutigen Tag die Zahnärzte kämen. Wenn die Leute des Dorfes diesen Zettel nicht lesen würden, könnten sie schließlich auch nichts dafür.
Mangelnder Informationsfluss und die Einstellung, dass einigen das schmerzhafte Schicksal ihrer Mitmenschen doch ziemlich egal ist, trafen sich hier. Ich machte unserem Unmut, viele Kilometer für solch eine schlechte Situation gefahren zu sein, unverhohlen Luft, wir schauten dem einzigen Patienten in den Mund, dessen Behandlung leicht verschoben werden konnte und wir verließen Gam wieder. Bei Verlassen des Klinikgeländes gegen 11:30 Uhr am späten Vormittag kam uns eine weitere Patientin entgegen, die wir auf das Kommen der nächsten Kollegen in sechs Wochen vertrösteten. Sehr enttäuschender Ausflug.
Auf der Rückfahrt suchten wir den Einsatzort des nächsten Tages auf, die Klinik in Tsumkwe, nur wenige hundert Meter von unserer Unterkunft entfernt. Dort wurden wir freudig begrüßt und wir bauten schon mal für den nächsten Tag auf, was uns am nächsten Morgen, auch wegen fehlender langer Anfahrt, zu Ausschlafen und gemütlichem Frühstück auf der „Tsumkwe Lodge“ verhalf.
Der Mittwoch begann mit mehr Andrang nach Zahnreinigungen als nach Schmerzbeseitigung. Marion übernahm den therapeutischen Part und ich fuhr in die Primary und Secondary School am Ort, um mich dort vorzustellen und unsere Anwesenheit am heutigen Tag kund zu tun. Die Klinik hatte von unserem Kommen Bescheid gewusst, die Schulen nicht.
Sich dort vorstellen bedeutet, mit dem Jeep auf den Hof zu fahren, irgendjemanden anzusprechen, wer denn hier „the Head oft the School“ ist und mit demjenigen dann ein Schwätzchen zu halten. Alle freuen sich, ein neues Gesicht kennen zu lernen und ein wenig Abwechslung zu erleben.
An diesem Tag kamen immerhin 68 Patienten und auf Grund des zweiten aufgebauten Stuhls konnten sogar 50 Zahnreinigungen durchgeführt werden. Unsere ZFA’s liefen zu Hochform auf.
Der Tag wurde von einer Mittagspause unterbrochen. Dann ist die Klinik schlagartig wie verwaist – alle machten Siesta, also auch wir. Danach kamen vor allem die Schulkinder. Erst gegen 18.00 Uhr waren wir fertig und der Clinic-Chef fragt sogleich „when you come next time“.
Donnerstagmorgen fuhren wir schon um 7:30 Uhr von Tsumkwe ab. Nach 140 km kam der Abzweig auf die Straße 3306, die uns nach weiteren 20 km nach Omatako führte. Am Ortseingang erwarteten uns bereits Fußball spielende Kinder, die sich über einen weiteren Ball aus unserem Fundus freuten.
Die Clinic ist die sauberste und aufgeräumteste von allen bisher gesehenen, obwohl sie in einem sehr verarmten Gebiet liegt. Einige Patienten erwarteten uns bereits. Bis mittags erschöpfte sich allmählich der Andrang, sodass wir frühzeitig zu unserem zweiten Tagesziel, „Kalahari-Hope-School“, aufbrechen konnten. Die von rumänischen Freiwilligen unterhaltene Schule hatten wir ja bereits montags kurz aufgesucht und nun warteten vor allem die Schüler der Schule und einige Dorfbewohner aus der Umgebung auf uns.
Die sehr engagierten Helferinnen und Helfer dort unterstützten uns beim Aufbau und der Durchführung der Untersuchungen. Wenn die ersten Schüler ohne Beschwerden und mit Zahnbürste und Zahnpasta bewaffnet unseren Behandlungsraum verließen, motivierte das die Außenstehenden, sich ebenfalls in unsere Hände zu begeben.
So verging unser letzter Behandlungstag im Flug und wir hatten lediglich noch die lange Heimfahrt nach Grootfontein zu bestehen. Dort Ankommen war wie ein bisschen Zuhause-Gefühl. – Irmgard und Max hatten wir viel zu erzählen bei unserer Rückkehr.
Der letzte Tag dient der Maintanace, also alles aufräumen, fit machen und Bestandsaufnahme. Das Lager wurde wieder aufgeräumt und Inventur noch vorhandener Materialien gemacht. Im Vorfeld hatten wir gedacht, dass es schade sei, den letzten Tag keinen Behandlungseinsatz mehr zu haben, aber wir waren zugegebenermaßen froh, mit einem easy day abzuschließen. Es waren sehr anstrengende zwei Wochen, was sowohl den langen Anfahrwegen als auch der ungesunden Körperhaltung und dazu noch dem Dauerstaub in der Luft zu verdanken war. Wir haben insgesamt an 354 Patienten 271 Extraktionen, 60 Füllungen und 81 Zahnreinigungen durchgeführt.
Tropfen auf den heißen Stein? Nein, Teil eines Räderwerks, das offensichtlich Früchte trägt und wesentlich zur Verbesserung der zahnmedizinischen Prophylaxe und Versorgung der ländlichen Bevölkerung beiträgt.
Unseren Nachfolgern raten wir, auch vor Ort engagiert zu sein. Fast nichts geht von allein. Die Kliniken, die man besucht, mit Ausnahme „Kalahari-Hope“, gehören zum staatlichen Gesundheitssystem und unterstehen dem „Grootfontein Hospital“. Dieses informiert darüber, wann die DWLF-Zahnärzte kommen. Aber funktioniert der Informationsweg auch? Lieber nochmal nachfragen. Dabei ist der liebe Max auch immer wieder behilflich.
Den letzten Abend genossen wir bei einem schönen Abendessen in der bereits erwähnten „Tigerquelle“ und nach freundschaftlicher Verabschiedung von Irmgard und Max sind wir samstags mit Umweg über die „Mount Etjo Lodge“ wieder nach Windhoek gefahren.
Wir waren ca. 3.300 km unterwegs, haben viel von Land und Leuten im Nordwesten Namibias erlebt und wissen nach unserer Rückkehr wieder sehr zu schätzen, wie grün Deutschland ist und welche gesellschaftlichen Wohltaten hier Standard unseres Lebens sind.