von Naira Stilling (E-Mail: naira.stilling [at] web.de
und Julia Myrau (E-Mail: julia.myrau [at] web.de)
Zahnarzt-Einsatz im Süden Afrikas, Juli 2017
Anders als bei DWLF-Einsätzen üblich, sind wir noch sehr junge Zahnärztinnen, mit knapp zwei Jahren Berufserfahrung. Aber da wir bereits während des Studiums einen zahnärztlichen Hilfseinsatz mit dem Roten Kreuz in Peru durchgeführt hatten, fühlten wir uns dem Abenteuer Afrika gewachsen.
Der Einsatz war auf Prävention bei Kindern, Füllungen und einfachen Extraktionen ausgelegt. Die Vorbereitung unserer Reise gestaltete sich mit Hilfe von Frau Selz, von DWLF, als weitgehend unkompliziert, bis es zu der Frage kam, wie wir unsere Spendenmaterialien nach Namibia bekommen sollten. Neben DWLF hatten uns viele Firmen großzügig Material zugeschickt und von Privatpersonen und Zahnarztpraxen waren über 300 Zahnbürsten gespendet worden. Die Resonanz auf einen Spendenaufruf via Facebook war überwältigend!
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass Füllungsmaterialien reichlich in Namibia-Süd vorhanden sind. Was dringend fehlt, sind Zahnbürsten und Zahnpasta für Schulkinder („Pink“ steht bei den Mädchen ganz hoch im Kurs), Oberflächendesinfektionsmittel und –tücher sowie resorbierbares Nahtmaterial. Am besten wissen es natürlich die Zahnärzte, die zuletzt da waren.
Neben den Flügen musste im Voraus auch ein passendes Gefährt gebucht werden, und zwar einen Geländewagen Toyota Hilux, mit Allradantrieb, von den Einheimischen liebevoll „Bucky“ genannt.
Am Samstag, den ersten Juli landete Naira in Windhoek, wo ich sie vom Hosea-Kotaku-Airport abholte. Wir mussten uns erst einmal an den Linksverkehr gewöhnen und sahen neugierige Äffchen am Straßenrand sitzen. Den restlichen Tag verbrachten wir bei einem kleinen Einkaufsbummel im Stadtzentrum und im Chameleon Backpackers, das übrigens Safaritouren anbietet und eine tolle offene Küche hat.
Keetmanshoop
Frisch und ausgeruht fuhren wir am Sonntagmorgen ca. 500 km nach Keetmanshoop, wo wir abends Dr. Chigova und seine Frau kennenlernten. Er koordiniert die Einsätze in Südnamibia. Wir erfuhren, dass wir insgesamt nur einen Tag mit ihm zusammenarbeiten würden, da er noch an anderen Orten arbeiten müsste – das fanden wir etwas schade, denn Dr. Chigova stellte sich als ein äußerst kompetenter Zahnarzt heraus, von dem man als Berufsanfänger noch viel lernen konnte.
Wir übernachteten in der Central Lodge in Keetmanshoop, eher mittlere bis höhere Preisklasse in Namibia und sie erinnerte an Disneyland und somit für unsere Altersklasse/unser Portmonee nicht unbedingt empfehlenswert.
Am nächsten Morgen stellte uns Dr. Chigova im Hospital in „Keetmans“ der Krankenhausleitung und den anderen Ärzten vor und zeigte uns auch die zahnärztlichen Behandlungsräume. Die modernen KaVo-Stühle machten viel Eindruck auf uns! Außerdem hatten wir die Gelegenheit, einen Blick ins Eigenlabor zu werfen, welches sehr gut ausgestattet ist. Beim herausnehmbaren Zahnersatz gibt es die Optionen „Modellguss“ und „Totale“. Teleskop- und Geschiebearbeiten sind in diesen Breitengraden nicht üblich. Tatsächlich hatten wir später einige Patienten, die um die Extraktion ihrer Restbezahnung baten, um eine schicke Totalprothese bekommen zu können. Wo uns die verbleibenden Zähne erhaltungswürdig erschienen, kamen wir diesem Wunsch allerdings nicht nach, sondern klärten über die Option einer Klammerprothese auf.
Zurück nach Keetmanshoop. Einige Materialien wurden noch in unseren Bucky verladen und dann ging es über Schotterpisten, etwa 3 1/2 Stunden, nach Karasburg. Sobald man die Teerstraße verlässt und auf einer „Gravel Road“ fährt, ist nicht mehr als 80 km/h erlaubt, der Reifendruck muss von 2,0 auf 1,8 bar gesenkt werden und der Allradantrieb kommt zum Einsatz. Vorsicht vor lebenden oder toten Tieren auf der Fahrbahn!
Karasburg
In Karasburg selbst ist der von Eseln gezogene Wagen noch ein häufiges Transportmittel. Einen Zahnarzt gibt es dort seit Jahren nicht mehr. Wir waren in den wundervollen Sunset Chalets untergebracht und sowohl der Ausblick von unserem kleinen sauberen und geschmackvoll eingerichteten Bungalow aus als auch die Gastfreundschaft von Patricia, die Gründerin und Mutter der Chalets und ihrer Familie, sollten auf dieser Reise unübertroffen bleiben. Nachmittags direkt trafen wir Sister Courie, hauptverantwortlich für Sterilisation und Logistik und gute Seele bei unserem Einsatz. Sie hatte bereits die Instrumente und Materialien für uns aufgebaut mit Unterstützung ihres Assistenten Funny, normalerweise Wärter. Mit viel Enthusiasmus und guter Laune versuchte er unsere technischen Probleme zu lösen und hat sogar eine richtige Behandlungslampe organisierte. Außerdem mit von der Partie waren Eleonora, eine sehr fleißige und ehrgeizige junge Frau, die selbst gern Zahnärztin werden möchte, sowie Shan-Lee, eine freundliche und etwas verträumte 23Jährige, die fantastisch mit Kindern umgehen konnte.
Am Dienstag ging es dann um acht Uhr morgens los mit dem Behandeln. Gleich beim ersten Zahn mussten wir feststellen, dass die Extraktionen hier schwieriger sind als daheim, da die Einheimischen einen härteren Kieferknochen haben. Man muss sich bewusst machen, dass das nächste richtige Krankenhaus in Keetmanshoop ist und somit über 300 km entfernt. Also „Problemfälle“ vermeiden!
Es war herzzerreißend, Kinder mit multiplen Läsionen im Milchgebiss zu sehen und nur einen oder zwei Zähne versorgen zu können. Viele kamen an zwei von drei oder an allen Tagen. Bei den Injektionen waren die Kids unglaublich tapfer, aber so manches Mal rollten dann doch die Tränen… Als kleinen Trost gab es danach eine Zahnbürste in der Lieblingsfarbe. Gerne hätten wir noch mehr Prophylaxe angeboten und wir würden auch anregen, mehr Einsätze mit diesem Schwer-punkt zu machen. Gegen 17 Uhr hatten wir fast 40 Patienten mit 20 Füllungen und 21 Extraktionen versorgt. Sister Courie kümmerte sich um die Instrumente, die in den Topfsterilisator wanderten. Am Abend brachte uns Patricia sehr sättigendes Abendessen und wir fielen zufrieden und sehr, sehr früh ins Bett.
Am nächsten Tag arbeiteten wir wieder parallel und konzentrierten uns auf einfache Extraktionen und Füllungen und in der Mittagspause stand ein Besuch mit dem Thema „Dentale Gesundheit und Prophylaxe“, mit besonderem Fokus auf Zahnputztechnik und Ernährung in der Ernst-Jager Primary-School an. Wir wurden von über 100 Kindern mit einem hippen „Toothbrush-Song“ aufgeregt begrüßt. Mit einem großen Plastikmodell demonstrierten wir die richtige Putztechnik, welche mehrfach nachgeahmt wurde und veranstalteten anschließend ein Quiz mit den Kindern. Wer eine Frage richtig beantworten oder demonstrieren konnte (z.B. „Welche Getränke sind schlecht für die Zähne?“), durfte nach vorne kommen und sich eine Zahnbürste aussuchen. Um dran zu kommen, kam es zu regelrechten Rangeleien. Zum Glück hatte die Schulleiterin ihre Rasselbande gut im Griff. Wir verabschiedeten uns und fuhren nach einer Mittagspause wieder ins Hospital, wo wir bis 17 Uhr weiter Patienten jeden Alters versorgten, nicht wenige davon infiziert mit HIV oder Hepatitis.
Im Chalet wurden wir mit einem leckeren Grillabend („Braai“) überrascht. Nach so einem anstrengenden Tag tat die nette Gesellschaft und das saftige Steak gut. Auf Afrikaans kann übrigens alles „lekker“ sein, nicht nur Essen, sondern z.B. ein Sonnenuntergang oder ein Auto.
Dann kam auch schon der letzte Behandlungstag in Karasburg. An diesem Tag versorgte Dr. Chigova die Fälle, für die wir nicht genügend Erfahrung hatten und wir arbeiteten parallel mit Eleonora und Funny weiter. Unvergessen bleibt Dr. Chigovas beruhigendes Mantra „Sorry, little Buddha! I am sooorryyy, Buddha!“ bei der Extraktion eines schlimm entzündeten Zahnes bei einem kleinen Jungen. Schließlich waren alle Patienten abgearbeitet und Dr. Chigova hielt noch eine kleine Dankesrede an unser Team, ohne welches der Einsatz in diesem Umfang nicht möglich gewesen wäre.
Noordoewer
Am nächsten Morgen halfen wir, das Equipment für Noordoewer zu packen, unsere nächste Station weiter Richtung Süden. Ausschließlich Sister Courie würde uns dorthin begleiten. Noordowoer liegt am Orange River, der die natürliche Grenze zu Südafrika bildet.
Der Fluss bringt Leben in die karge staubige Steppen- und Marslandschaft und wird von Reet, grünen Weingärten und Felsen umsäumt. Auf diesem haben wir dann später eine sehr schöne Kanutour unternommen, bei welcher man diverse Vogelarten bestaunen durfte. Anscheinend gibt es die Krokos nur weiter nördlich, was wir bisher einstimmig bestätigen können. Unsere Unterkunft war die Orange-River-Lodge, in der das Frühstücksomelette mit reichlich Cheddarkäse, Bacon, Tomate und Zwiebeln so gigantisch ist, dass man sich gut und gerne zu zweit eines teilen kann. Auch Fans von Bollywood-Streifen kommen hier auf ihre Kosten.
Der winzige Ort Noordoewer hat einen Supermarkt, einen Bottle Store, zwei Tankstellen, ein Wimpies und eine Klinik, in dem allerdings nur Krankenschwestern sind und etwa alle zwei Wochen ein Arzt anzutreffen ist. Der Zahnarzt kommt nur alle paar Monate, organisiert von DWLF. Am Wochenende machten wir einen Ausflug auf die südafrikanische Seite des Orange River. Ein schöner Ort zum Verweilen ist hier unter anderem Fiddlers Creek.
Frisch und ausgeruht ging es am Montag zum Arbeiten in die Klinik. Sister Courie hatte bereits wieder tolle Vorarbeit geleistet und die Behandlungsmaterialien sinnvoll vorsortiert und wir haben es gemeinsam aufgebaut. So konnten wir uns um die Details kümmern, z.B. Okklusionspapier zurechtschneiden, Diamanten und Bohrer sortieren, Matrizen einspannen. Optimal vorbereitet fingen wir am Dienstag an zu behandeln. Außer Courie unterstützte uns James, ein liebenswerter, engagierter junger Mann, der ohne zahnmedizinische Vorkenntnisse die Stuhlassistenz mimte und täglich viel dazu lernte.
Da wir diesmal ohne Dr. Chigova im Hintergrund operierten, der uns in Karasburg im Zweifelsfall helfen konnte, konzentrierten wir uns mit nur einem Behandlungsstuhl auf Zahnreinigungen, Füllungen und simple Extraktionen, z.B. von zerstörten Milchzähnen, Wurzelresten oder parodontal geschädigten Zähnen. Viele, viele Patienten mit entzündeten Weisheitszähnen mussten wir auf das Team um Dr. Rohr im August vertrösten und gaben gegen Entzündungen und Schmerzen als Ersttherapie Antibiotika und die beliebten „Painpiller“. Erfreulich war die große Anzahl an Füllungen, die wir legen konnten (28 an zwei Behandlungstagen.) Ein Fall, der uns im Gedächtnis bleiben wird, ist der achtjährige Junge mit einem seit drei Monaten chronisch entzündeten 46, der einen sub-mandibulären Abszess mit Fistelbildung aufwies. Wir baten die Mutter eindringlich, ihr Kind ins Krankenhaus nach Keetmanshoop zu bringen. Aufgrund fehlender Transportmittel sind wir uns allerdings nicht sicher, ob sie es dorthin geschafft hat.
Den Abschluss unseres Einsatzes in Noordowoer bildete wieder ein Schulbesuch an der Baard-Primary-School, den wir diesmal etwas anders gestalteten. Eine Gruppe von ca. 15 Preprimary Schülern im Alter von 5-7 Jahren bekam zunächst Zahnbürsten von uns und dann wurde gemeinsam instruiert und geputzt. Die Kinder lauschten und sahen gebannt zu und schließlich eiferten sie begeistert nach, was wir ihnen vorführten und auch die Schulleiterin war sehr angetan. Sie äußerte sogar die Hoffnung, dass wir vielleicht eines der Kinder inspiriert hätten, später Zahnarzt zu werden, allerdings kann man in Namibia Zahnmedizin nicht studieren, dafür muss man nach Südafrika. Auf jeden Fall würde sie sich auf eine Wiederholung der Toothbrush Lessons durch weitere Teams freuen. Damit endete unser Einsatz und wir sind sehr froh und glücklich, so viele spannende, freundliche, dankbare und tolle Menschen auf unserer Reise getroffen zu haben. Wir hoffen, dass wir das Leben von einigen Menschen um ein kleines, aber entscheidendes Bisschen verbessern konnten. Und wenn auch nur eines der Schulkinder unsere Putzinstruktionen ernst nimmt und von nun an seine Zähne pflegt, hat sich die Reise unserer Meinung nach bereits gelohnt.
Außerdem können wir Namibia (sowie Südafrika, Botsuana und Simbabwe) jedem als Reiseziel wärmstens empfehlen, aber das ist eine andere Geschichte.
- Vielen Dank an Frau Selz vom DWLF für die Reiseplanung.
- Vielen Dank an die Firmen für die Spendenmaterialien.
- Vielen Dank an Dr. Chigova, von dem wir gern noch mehr gelernt hätten.
- Vielen Dank an Sister Courie für ihre fantastische Unterstützung und an ihr ganzes Team.
- Vielen Dank an Patricia vom Sunset Chalet. We miss you!
- Vielen Dank an alle Familienmitglieder und Freunde, die uns zu diesem Einsatz ermutigt und uns unterstützt haben.