von Dr. Karl Haushofer (E-Mail: dr.karl.haushofer [at] t-online.de)

Einsatz für DWLF in Namibia/Nord 20.11 – 01.12.2017

Es war für uns (Dr. Karl und Karin Haushofer, Silvana Freund aus München und Dr. Jörg-Christian Ribbe aus Hamburg) der erste Einsatz für DWLF, keiner von uns ist auch schon mal in Namibia gewesen. Wir haben daher vorab mit Stefan Rohr gesprochen und auch mit Rüdiger Zier aus Franken und Regina aus Schleswig-Holstein, die vor uns in Grootfontein  waren. Wir hatten auch per Mail Kontakt mit dem einheimischen Vermieter unseres Quartieres, Max Beyer. Diese Informationen waren für uns Newcomer wirklich hilfreich.

Wir sind eine Woche vorher angereist. Zuerst holten wir in Windhoek das Leihauto und die gewarteten vier mobilen Einheiten ab und fuhren gleich weiter nach Swakopmund. Dort machten wir am nächsten Tag zwei tolle Wüstentouren, eine davon in die beeindruckende „Mondlandschaft“. Dann fuhren wir weiter zum Etosha-Naturpark und besuchten dort drei Camps. War wunderschön!

19.11.2017: Wir erreichten unser Domizil in Grootfontain nach gemütlicher vierstündiger Fahrt aus dem Etosha-Park gegen 14.00 Uhr, wurden freundlich von der Hausherrin Irmgard aufgenommen (Max weilte bei einem Skatturnier in Swakopmund), konnten in Ruhe auspacken, besuchten noch mit Irmgard unsere Arbeitsstätte in der 1,5 km entfernten Klinik, bekamen dann noch eine gute Brotzeit und bauten auf der Terrasse zur Probe schon mal den Behandlungsstuhl auf, wie uns von unseren Vorgängern empfohlen worden war. Gut so, denn zwar ist es eigentlich gar nicht schwer, aber nur wenn man weiß, wie es geht. Der Running-Gag mit dem Aufbau einer Sonnenliege kam uns hier sehr stark in Erinnerung… Wir wussten, der feste Behandlungsstuhl in der Klinik war ohne Strom, also nur zum Sitzen zu verwenden. Auch, dass der Kompressor nicht zu benutzen ist. Das bedeutet also, dass zwei mobile Behandlungseinheiten (Made in China) in Betrieb zu setzen sind. Bitte unbedingt die Betriebsanleitung lesen!

20.11. -24.11.2017: Einsatz im Clinical Hospital in Grootfontein

20.11.2017: Erster Behandlungstag. Also, man muss sich, wie oben angesprochen, erst mal „einrichten“. Stühle aufbauen und mobile Einheiten in Gang bringen und die Instrumente orten…

Gegen 10.00 Uhr fingen wir mit den Behandlungen an. Es ist nun wirklich nicht so leicht, mit den  mobilen Einheiten zurecht zu kommen. Die Absaugung an der mobilen Einheit ist mehr oder weniger unbrauchbar, daher sind zusätzlich noch zwei mobile Absaugungen anzustecken. Das Wasserspray ist meist auch nur kurzzeitig verlässlich. Füllungen zu machen, ist schwierig. Zahnextraktionen sind da schon leichter zu bewerkstelligen, solange man nicht aufklappen muss. Wir gaben unser Bestes und konnten die 23 Patienten bis zum frühen Nachmittag „versorgen“. Karin und Silvana nutzen die verbleibende Zeit sehr sinnvoll: Sie sortierten noch mal das Instrumentarium.

21.11.2017: Da die Anzahl der Patienten nicht viel größer war (25) und wir auch früher begannen, waren wir schon gegen 14.00 Uhr fertig, obwohl wir uns mehr Zeit nehmen konnten. Zur Belohnung kauften wir noch im Supermarkt ein und gönnten uns den ersten gemütlichen Grillabend auf der schönen Terrasse unseres Gästehauses.

22.11.2017: Bei unserer Ankunft um 8.15 Uhr war die „Zahnarztbank“ vor dem Wartezimmer gut besetzt, an diesem Tag waren es über 30 Patienten. Max hatte uns schon darüber aufgeklärt, dass in Namibia die meisten Dinge am Vormittag geregelt werden und dass es empfehlenswert ist, dies auch so mit den zahnärztlichen Tätigkeiten so zu halten. Wir zogen es dann auch immer vor, früh aufzustehen und ausgiebig zu frühstücken und ohne Mittagspause durchzuarbeiten. Spätestens um 15.30 Uhr waren wir dann auch fertig. In Grootfontein kann man die Instrumente auch sterilisieren lassen. An diesem Mittwoch gingen uns die Hebel und Zangen aus…

23.11.2017: „Kindertag“, warum auch immer. Es zeigte sich, dass die Kleinen in Grootfontein im Grunde nicht anders auf Zahnarztbesuche reagieren als die bei uns zu Hause. Manche ganz tapfer, manche überängstlich und verschreckt. Mein erster Patient, ein 9jähriger Junge, zitterte schon beim Hinsetzen am ganzen Leib, beruhigende Worte und unser Stoffelefant Dumbo halfen da nur wenig. Nach der ersten Mundöffnung und Einbringen des Mundspiegels gab es ein lautes Würgegeräusch und in zwei riesigen Schüben entlud sich das ganze Frühstück. Putzen war erst mal angesagt, von weiteren Maßnahmen bei dem Jungen habe ich an diesem Tage abgesehen.

Jörg hatte zeitgleich ein Mädchen, bei dem die nach viel Überredung verabreichte Spritze nicht wirkte (das gab die kleine zumindest bei der versuchten Behandlung durch lautes Schreien kund). So hatte jedes Team erst mal einen schweren Start. Im weiteren Verlauf aber keine besonderen Ereignisse. Patienten jeden Alters und verschiedenster sozialer Schichten und ethnischer Gruppen fanden sich ein. Buschmänner und – frauen, Angestellte aus dem Ort, Gefangene aus dem Gefängnis von Grootfontein in Begleitung von zwei Polizisten und „feine Damen“ mit lackierten Fingernägeln. Gleich aber das Krankheitsbild: Meist abgefaulte Backen- und Weisheitszähne und große Frontzahnkaries. Der Verbrauch an Tupfern stieg.

24.11.2017:  Wir hatten an diesem Tag die zweite kritische dicke Backe bei einer Frau, ausgelöst von einem halb retinierten Weisheitszahn, der „Klassiker“. Wir konnten nur inzidieren und säubern. Sie brachte den Mund nur 1,5 cm auf und hatte schon Schluckbeschwerden. Also hier zudem Standardtherapie nach Art „Klinik Namibi“: Antibiotische Abschirmung mit Amoxicillin und „Painkiller“ Paracetamol.  Wie und wann die notwendige Entfernung durchgeführt werden soll, wissen wir nicht. Drei Praxisschilder mit „Dentist“ oder „oral surgery“ haben wir im Ort gesehen, leider aber alle Praxen leer. So haben wir erstmal unseren Raum verlassen und die Instrumente zum Sterilisieren gebracht. Die mobilen Einheiten und alles, was wir für nächste Woche brauchen, haben wir mitgenommen. Viel ist ja in der DWLF-Vorratskammer bei Max verstaut.

Sehr interessant und eine gelungene Abwechslung war in dieser Woche der Besuch einer der wöchentlich stattfindenden Rinderversteigerungen und am Sonntag die Rundfahrt auf der 13000 Hektar großen Farm von Max.

27.11. – 29.11. : Einsatz im Clinical Hospital in Otavi

Am Sonntag haben Karin und Silvana die Materialkisten gesichtet und sortiert und Jörg und ich haben diese dann zusammen mit zwei mobilen Einheiten, drei Sitzstühlen und zwei Absaugungen im Auto verstaut. Mehr hätte auch nicht mehr Platz gehabt. Die Anreise ins 100 km entfernte Otavi auf Teerstraße ist problemlos. Wir waren kurz nach 8.00 Uhr in der Klinik und bauten unser Equipment zügig im großen, für uns weitgehend leergeräumten Behandlungsraum auf.

Der Ablauf hier unterscheidet sich kaum von dem in Grootfontein, auch die Patientenzahl und die Art der Probleme waren in den drei Tagen sehr ähnlich. Otavi hat zwar weniger als die Hälfte an Einwohnern wie Grootfontein, aber Supermärkte und auch eine neue große Tankstelle haben alles im Sortiment, was die Industrie an Süßwaren so anbietet und Zähne bei mangelhafter Pflege zerstört. Die unzähligen Extraktionen von Michzähnen oder noch schlimmer, 6-Jahresmolaren bei Kindern, sind schon frustrierend. Viele der Kleinen hatten wohl schon schmerzhafte Zahnarztkontakte und ließen sich nicht oder nur nach langem Zureden behandeln. Nicht anders als in Deutschland. Das Verhältnis von Zahnentfernung zu Füllungen bei unseren 101 „versorgten“ Patienten in drei Tagen lag auch hier bei ca. 9:1. Nachhaltiges Behandlung ist das natürlich nicht, aber Alternativen sind im Moment nicht gegeben. „BRUSH, BRUSH, BRUSH!!!“, so erklang es mittlerweile in regelmäßigen Abständen, mit etwas „Galgenhumor“ immer wieder im Chor aus unseren Mündern. Wir packten am Mittwoch nachmittag schon etwas nachdenklich unsere Gerätschaften wieder ein und stellten sie auf dem Nachhauseweg gleich in unserer nächsten Station Kompat, 30 km vor Grootfontein wieder auf. Vorher besuchten wir aber noch den Meteoriten Hoba. Sollte man nicht versäumen. Es ist schon ein besonderes Gefühl, auf einem hunderte Millionen alten Stein/Eisenbrocken zu stehen…

30.11.2017: Einsatz im Clinical Hospital in Kompat

Hier führt Schwester Sassilia das Regiment. Uns erinnerte ihr Aussehen an Whoopie Goldberg und so nannten wir Sie intern nur „Sister Whoopie“. Sie hatte im Vorfeld an der Kliniktür schon einen Hinweis auf unser Kommen angebracht. Diese Klinik war die kleinste und auch engste für uns, aber irgendwie insgesamt die angenehmste. Die Klinik in Kompat ist nichts anderes als ein zweckentfremdetes Einfamilienhaus mit 4 Zimmern, einem Bad und einer Toilette. Jörg behandelte in der Medikamentenkammer, ich im Büro.

Die Instrumente wurden in Wannen in der Badewanne gereinigt und desinfiziert. Das Wartezimmer waren zwei Bänke auf der überdachten Veranda. Das übertrug eine gewisse Gemütlichkeit auch auf uns. Nach der Versorgung von 30 Patienten (Klientel wie gehabt) waren wir gegen 14.00 Uhr fertig, packten unsere Sachen wieder ein und bereiteten uns auf das Finale am Freitag vor, bei einem herrlichen Grillabend mit unseren herzlichen und zuvorkommenden Gastgebern Irmgard und Max.

01.12.2017 Einsatz im Clinical Hospital in Otjituuo

Der Dezember ist da und hier war der bisher heißeste Tag mit zum Teil über 40 Grad. Entsprechend stickig war es in unserem engen Raum in der relativ neuen Klinik in Otjituuo Die zwei Stühle hatten gerade mal so Platz, Klimaanlage Fehlanzeige. Erfreulicherweise stand uns eine Schwester zur Seite, die die Patienten aufrief und bei Bedarf übersetzte. So brachten wir auch unseren letzten Einsatztag gut über die Runden mit 32 Patienten und traten verschwitzt die Rückreise über die  57 km lange schnurgerade Sandstraße an.

Ehrlich gesagt, mischte sich auch etwas Stolz, aber auch Erleichterung in unsere positive Gemütsstimmung. Jetzt musste aber das Auto wieder entleert, die verschiedenen Teile und Instrumente gereinigt und desinfiziert und die Vorratskammer bei Max und Irmgard wieder eingeräumt werden. Dank unserer zeitigen Rückkehr ohne Hektik und mit willkommener Abkühlung im kleinen, aber feinen Pool im „Beyer-Vorgarten“ konnten wir dies gut gelaunt abarbeiten und dann unseren letzten Abend in Grootfontein genießen.

P.S.: Ich habe in jedes Gästebuch der Klinik geschrieben – neben Dank und Grüßen: „Please tell all the children and the parents: Brush your teeth and be carefull with sweets“. Eine intensive und flächendeckende Gruppen- und Individualprophylaxe ist aufgrund der Gegebenheiten unserer Meinung nach so schnell und so gut wie möglich voranzubringen, aber wohl ein noch nicht erfüllbares Wunschdenken. Füllen und Reißen löst auch in Namibia das ursächliche Problem nicht. Auch bei uns hat es vor 30 Jahren noch ganz anders ausgeschaut…

„BRUSH, BRUSH, BRUSH!“

Wir bedanken uns herzlich bei der Firma Bauer & Reif (B&R Dental) für die großzügige Unterstützung mit Materialien und Sachspenden!