von Claudia Hirzel (E-Mail: za-hirzel [at] t-online.de)

Diesmal ging es in den Selenge Aimag Richtung Süchbaatar. An der Grenze von  jedem Sum wurden wir herzlich von den zuständigen Gesundheitsministern und Krankenhauschefs traditionell begrüßt. Zum Mittagessen wurden wir mit einem traditionellen mongolischen Essen verwöhnt, dazu gab es Musik und Tanz.

An unserem ersten Standort in Dulaankhan wurde sehr diszipliniert und strukturiert die Patientenbewältigung gehändelt. Ein mongolischer Zahnarzt kümmerte sich nur um die Erwachsenenbehandlung. Eine mongolische Zahnärztin zog nur Zähne. Wir, unser deutsches Team bestehend aus Susanne, Jan, Michaela und mir, widmeten uns hauptsächlich der Jugend und Kinderbehandlung. Den Anfang machte ein Gruppenprophylaxe-Training mit Zahnputzanweisung unter freiem Himmel. Ein Dolmetscher half uns bei der Übersetzung der Zahnputzmethodik nach „KAI“.

Das Ganze wurde durch ein Filmteam von „arte“ gefilmt, welches uns während des gesamten Einsatzes immer wieder in einzelnen Gruppen begleitete. Diesmal wollte „arte“ eine Dokumentation über einen Zahnärzte-Hilfseinsatz filmen. Im Jahr zuvor wurde eine Reportage über Ärzte gedreht, die ehrenamtlich Menschen in den asiatischen Ländern Hilfe leisteten.

Die Kinder und wir hatten alle unseren Spaß – wir sangen unser „Deutsches Zahnputzlied“ und sie ein Lied für uns auf Mongolisch. Im Laufe unserer fünf Arbeitstage konnten wir viele Kinder mit Füllungen und Versieglungen durchsanieren. Durch zusätzliche Aufklärung der Eltern hofften wir, sie zu mehr Kontrolle der Kinderzähne und Verminderung unnötigen Konsums von Bonbons, Chips und Cola zu gewinnen.

 

Viele Eltern waren stolz, dass Ihre Kinder alleine Zähne putzten, aber wir mussten vermitteln, dass es ohne Anleitung und Kontrolle der Eltern nicht richtig und gründlich erfolgte! „Richtiges Schreiben lernt man auch nur unter Kontrolle und mit Übung!“

Dafür ist aber hervorzuheben, dass die mongolische Bevölkerung noch eine uns leider teilweise verloren gegangene Tugend aufwiesen, nämlich Respekt vor dem Besuch beim Doktor!

Diese Leute besitzen keine Reichtümer in Form von vollen Kleiderschränken, fließendem Wasser, Waschmaschinen und sonstigen materiellen Dingen. Aber mit ihren beschränkten Möglichkeiten kamen sie durchweg hübsch und sauber gekleidet, gewaschen und mit kleinen Schmuckstücken versehen, (meist auch nur bunte Schnüre mit einer Perle oder kleine Knochen, die als Glücksbringer für die Kinder nach mongolischer Tradition gelten) zu unserer Behandlung. Die Mädchen trugen gerne ein Sonntagskleid. Eigentlich sahen alle unsere Patienten sehr schick aus und erwiesen uns damit große Anerkennung – das gab es bei uns vor ca. 50 Jahren!

Die Milchzahngebisse waren ziemlich zerstört, sodass wir uns auf das Haupt-Kauzentrum der Milchmolaren konzentrierten. Im bleibenden Gebiss machten wir viele Versieglungen, oder aber bei sanduhrförmig verlaufender Karies, mit tiefen occlusalen caries profunda Kavitäten, einflächige Füllungen.

Hier im Selenge-Aimag fiel auf, dass es häufiger Zwillingsbildungen von Unterkiefer-Frontzähnen, Mesiodentes und Oberkiefer-Eckzahnaußenstand bei den Heranwachsenden gab. Die Bevölkerung in Selenge ist sehr kinderreich und es gab öfter Zwillingspärchen zu sehen. Vielleicht liegt es an der guten und reichhaltigen Ernährung, da das Land in Selenge-Aimag sehr fruchtbar ist. Dadurch gab es wohl auch weniger Approxiamalkaries-Defekte.

Wir wurden hier außer mit Käse, Fleisch und Milchprodukte auch mit Bienenhonig, Heidelbeeren, Pilzen und Walderdbeeren verwöhnt.

Zu unseren besonderen Erlebnissen zählen diesmal zwei Badebesuche im Fluss Orkhon, da es kein öffentliches Wasch- und Duschhaus in der Ortschaft gab. Wir wohnten sehr idyllisch, in einer Jurte am Waldesrand, außerhalb des Ortes – Natur pur!

In dieser Ebene wurden wir in die Kunst des Bogenschießens mit einem Kompositbogen eingeweiht.

Weiter ging es nach Shaamar. Dort arbeiteten wir am Rande eines Pinienwaldes in einer kleinen Klinik. Die Situation der Gebisse kam der in Dulaankhan ziemlich nahe. Wir waren jetzt nur noch zu viert, ohne die mongolischen Kollegen, da sie bei einer anderen Gruppe, nahe der Grenze zu Russland, aushelfen mussten.

Das Wasser, zur Versorgung der Einheimischen in diesem Ort, wird von einer Wassertankstelle (Brunnen) im Ort gekauft und muss von Ihnen zu den jeweiligen Jurten oder Häusern selbst transportiert werden.

Unser Trink- und Behandlungswasser aber war jeweils gekauftes Tetrapack-Wasser. Zum Baden lud uns der Orkhon diesmal nicht ein, da im Vorfeld zu viel Regen fiel und er ziemlich reißend und mit Schwemmgut sowie mit einer Mückenplage versehen war.

So kamen wir nur in den Genuss dort den Sonnenuntergang zu genießen. Als Mückenvertreibungsmittel diente das einfache anzünden eines trockenen Kuh- oder Rinderfladens. Umgeben von diesem natürlichen Räucherwerk blieben wir vor den Mückenstichen verschont.

Zweimal besuchten wir ein Badehaus in dem ca. 20 Minuten entfernten Sükhbaatar. Dort konnte man für 1 Euro eine halbe Stunde lang duschen. Im Seitentrakt des Badehauses, wurde die weitere Nutzung des anfallenden Badewassers zum Betreiben einer Autowäscherei verwendet (wäre bei uns unmöglich!). Auf dem freien Platz vor dem Regierungsgebäude und Stadtparlament herrschte zu dieser Zeit, ca. 22 Uhr, immer noch reges und fröhliches Familientreiben.

Außer der Statue des Freiheitskämpfers Süchbaatar, (er steht ebenfalls als Reiterstatue vor dem Chingis-Khaan-Regierungsgebäude in Ulan-Bator), bekamen wir noch auf einer Anhöhe, die Statue von Chingis-Khaan’s zweiter Königin zu sehen (Metall), vor der wir, in traditionelle Gewänder gekleidet, Fotos von uns machten.

Hier hatte man auch einen wunderbaren Ausblick über das gesamte Umfeld und die Bahnstation von Sükhbaatar, wo die Transsibirische Eisenbahn, an der Grenze zu Russland, in die Transmongolische Eisenbahn übergeht. Es wurde viel Holz transportiert.

Von hieraus sollte auch unsere Rückfahrt nach Ulan-Bator, am Ende unserer Behandlungswoche, stattfinden. Die neun Stunden Zugreise war sehr, sehr interessant und ein schönes Erlebnis. In diesem Zug, der sich bis Ulan-Bator sehr gut mit Reisenden füllte, herrschte ein harmonisches Miteinander. (schlafend, liegend, sitzend, essend, in Gespräche vertieft, spielend, ohne nervigen Stress). Die neun Stunden gingen auf angenehme Weise, inklusive eines kleinen Picknicks im Zug, vorüber.

Es gab immer wieder Reinigungspersonal, dass mit Müllbehältern die anfallenden Verpackungen und Müllreste sofort entsorgte. Begleitet wurde der Zug durch weibliche Bahnhostessen und Schaffnerinnen, in einer wunderschönen Uniform.

Ich fühlte mich ein wenig in meine Kindheit versetzt, als das Bahnfahren mit dem Dampfross noch etwas Besonderes war. Das Betreten des Bahnsteiges kostete damals noch 20 Pfennige und die Menschen verhielten sich früher noch disziplinierter, nicht wie heute, spuckend, rauchend oder betrunken und pöbelnd oder den Bahnsteig verunreinigend.

In Ulan-Bator angekommen wurden wir von unserem Dolmetscher Purev vom Zug abgeholt und zu unserem Hotel gebracht. Er war mit unserem Fahrer, den Einheiten und unserem Gepäck schon nach Ulan-Bator vorgefahren, während wir noch unser Abschiedsfest in Shaamar feierten.

Am folgenden Tag fand in Ulan-Bator die Ehrung der einzelnen Teams, inklusive toller Abschiedsgeschenke, bei einem extrem köstlichen und vielseitigen Abschiedsessen statt. Zusätzlich wurde unsere Geschäftsführerin Frau Prof. Tuul Macher für Ihr Engagement für die einheimische Bevölkerung mit Unterstützung deutscher Zahnärzte, die sich ehrenamtlich bereit erklärten im Verein der DWLF tätig zu sein, geehrt.

Prof. Macher selbst betonte den Reportern und anwesenden Personen gegenüber, dass „diese hier stattfindende Ehrung dem gesamten DWLF – Einsatzteam geweiht ist!“

Für Ihre humanitäre Tätigkeit erhielt sie in Warschau die Auszeichnung „Best women in humanitarian work 2018“ (nachzulesen auf der DWLF-Webpräsenz) eine Ehrung in der Kategorie „Woman of the year“. Dafür wurde sie nun vor Ort, in Ulan-Bator, nochmals gewürdigt. Film- und Fernsehteams begleiteten die Pressekonferenz und das mongolische Fernsehen strahlte es auch im TV aus.

Unsere restlich verbleibende Zeit in Ulan-Bator nutzten wir für ein Ausflug in das „13.-Jahrhundert-Dorf“ (eine Rekonstruktion eines auf authentischer Basis errichteten Dorfes, zu Chingis Khans Zeiten), mit Königsjurte, Versorgungsjurte, Schreibjurte, Waffen und Schamanenzelte. Auf dem Weg liegend, machten wir noch ein Abstecher zu der übergroßen Reiterstatue des Chingis Khan, mit seinem Reitervolk und Brüdern.​

Königsjurte

Schreibjurte

 

Heute noch ein „Legend“ !!!

Abschließend genossen wir in Ulan-Bator einen Stadtbummel, relaxten im „Irisch-Pub“ und besuchten ein „Deutsches Brauhaus“.

In Ulan-Bator und der Mongolei allgemein gibt es noch viel zu entdecken und zu sehen. Dies war hoffentlich noch nicht der letzte Besuch. Auch wenn die Hauptstadt sich ständig vergrößert und die Jurten nun Holzblockhäusern weichen ist es für mich ein Flecken Erde, der noch nicht überbevölkert ist, in dem sich die Menschen durch pflegen von Traditionen und Naturverbundenheit zu helfen wissen. Hier gibt es noch die Welt der Sehnsucht und der Träume (vergleichbar mit der Traumwelt der Ureinwohner Australiens, die dieser leider durch weiße Einwanderer beraubt wurde).  Hier ist das Immaterielle noch wichtig und vordergründig verankert! =Traum, = Seele.

In unserer Kultur sagt man, es sei eine Flucht aus der Wirklichkeit; aber wo fängt sie an und wo endet sie, die Wirklichkeit? Uns ist es nicht mehr so einfach möglich den Bewertungsmechanismus der Gedanken auszuschalten! Unsere reale Welt ist nur noch materiell fassbar. Was nicht in diese Kategorie passt wird schnell aussortiert. Die Gedankenformen des Materialismus wirken leider sehr mechanisch und

selbstverständlich, dass es großer Anstrengung bedarf, sie beiseite zu schieben. Und somit 

geht auch etwas von der Welt der Träume und des damit verbundenen Immateriellen verloren!

Etwas zum Nachdenken:

„Zwischen Richtig und Falsch entscheiden lernen!“

Die Friedensglocke in Ulan Bator