von Dr. Egon Karcher (E-Mail: egon [at] ekzahn.de)

Nach meinem ersten Einsatz Anfang 2017 in Haiti über eine andere Organisation war ich jetzt über DWLF unterwegs. Vor etlichen Jahren war ich bereits als Tourist zum Badeurlaub auf Sal gewesen und so entschloss ich mich zu einem Einsatz auf den Kapverden. Die Reise sollte auf die Hauptinsel Santiago nach Tarrafal gehen. Beide Inseln sind völlig unterschiedlich, Sal flach und wenig besiedelt, Santiago, die Hauptinsel mit der Hauptstadt Praia gebirgig und wunderschön.

Bereits viele Wochen vor Antritt der Reise habe ich in mehreren Telefonaten mit dem Ehepaar Dres. Ute und Wolfgang Kehl und dem Kollegen Dr. Peter Eckert, alle drei waren zusammen bereits als Team auf Santiago, wertvolle Tipps und Hinweise zur Reise bekommen. Ute und Wolfgang sind schon seit zwei Jahren auf mehreren Einsätzen dort unterwegs Wolfgang ist inzwischen sogar Projektmanager für die Kapverden in Europa. Nachdem Peter kurzfristig seine geplante Teilnahme abgesagt hat, waren wir nur ein Dreier-Team von ausschließlich Zahnärzten.

Ute und Wolfgang kommen aus dem hohen Norden Deutschlands und waren sowieso zur Organisation weiterer Einsätze auf Santiago bereits einige Tage vorher angereist. Also ging für mich Süddeutschen die Reise von Zürich über Lissabon nach Praia wo ich nachts um 1 Uhr Ortszeit ankam und mit einem Taxi zum vorgebuchten Hotel fuhr.

Am nächsten Morgen lerne ich Kehls persönlich kennen, die mich um 10 Uhr an meinem Hotel abholen. Ein kurzer Bummel durch Praia, dann geht die Fahrt nach Cidade Velha, einem wunderschönen Örtchen an der Südwestküste Santiagos.

Hier hatten beide Anfang des Jahres in einer kleinen Klinik zwei Wochen gearbeitet. Nach einer herzlichen Begrüßung der alten Bekannten wurden wir zum Mittagessen in ein Strandrestaurant eingeladen und vom Verwaltungsleiter begleitet. Um 15 Uhr nahm uns die Klinikärztin in ihrem Wagen zurück nach Praia.

Am nächsten Tag lerne ich Dr. Elisabeth Rodriguez, zahnärztliche Kollegin, Kontaktperson zum kapverdischen Gesundheitsministerium und Baptistin kennen.

Die Baptisten auf Santiago sind sozial stark engagiert und unterhalten in Praia zwei Schulen in denen arme Kinder Unterricht erhalten und auch verpflegt werden.

Mit Elisabeth besuchten wir diese zwei Schulen, die von einem baptistischen Pastor und dessen Frau geleitet werden. Es war Mittagszeit und so wurden wir zu einem Teller Cachupa, dem kapverdischen Gemüse-Eintopfgericht, das auch die Kinder erhielten, eingeladen. Danach konnten wir zusehen, wie junge amerikanische Volontärinnen die Kinder zum Zähneputzen anleiteten. Die Rückfahrt durch diesen Stadtteil ließ uns erahnen, in welch großer Armut die Menschen hier leben.

Nachmittags gab es noch einmal richtige Aufregung. Plötzlich hieß es, das Gesundheitsministerium wolle unseren Einsatz in Tarrafal nicht, wegen mangelnden Geldes und fehlender Patienten. Zeitweise sah es so aus, als seien wir zum Nichtstun verdammt. Aber dann war klar, wir werden in Assomada, einer Stadt im Innern der Insel arbeiten und trotzdem in unserer gebuchten Pension in Tarrafal wohnen. Dazu wurden wir täglich mit zweimal einer halben Stunde Fahrzeit von einem Chauffeur der Klinik nach und von Assomada zurückgefahren. Also ging es tags drauf nach Tarrafal in unsere Pension, wo wir noch kurz unser Vorgängerteam kennen lernten, bevor sie zum Heimflug zurück nach Praia fuhren.

Der darauffolgende Sonntag war dann nochmals touristisch geprägt mit Bummel durch die Stadt und Besuch des Strandes und der Felsküste mit Blick auf Fogo.

Am Montag ging es dann endlich los. Zunächst wurden wir in die Klinik in Tarrafal gebracht, von wo wir das ganze Material und die Geräte nach Assomada brachten und nachmittags noch mit dem Aufbau begannen. Tags drauf brachten wir die restlichen Materialien nach Assomada. Am späten Vormittag konnte dann die Behandlung losgehen.

Die meisten unserer Patienten sind Schulkinder einer einer großen Schule in Assomada, die von einer sehr engagierten Lehrerin begleitet werden. Nachmittags, wenn die Schulklassen weg waren, haben wir Erwachsene behandelt, meist Angestellte der Klinik. Um 15.00 Uhr war dann Feierabend, meist wurde es aber doch 16.00 bis 16.30 Uhr.

Mittags waren wir in der Klinikkantine zu einem leckeren Mittagessen, immer aus gutem Gemüse, Reis und Fisch bestehend, eingeladen.

Unser Behandlungsspektrum beschränkte sich auf die Extraktion tief kariöser, schmerzender Zähne und Wurzelreste sowie konservierender Behandlung mit Composit-Füllungsmaterial bei den Erwachsenen und bei den Kindern vornehmlich dem Slicen der Milchmolaren, dem trichterförmigen Zuschleifen des Interdentalraums. Dadurch wird die Impaktation von Speiseresten zwischen den Zähnen verhindert und eine bessere Zahnpflege auch bei mangelhafter Putztechnik erreicht und die Milchmolaren bleiben meist bis zum natürlichen Zahnwechsel erhalten. So ergab es sich, dass ich an einem der acht Behandlungstage nicht einen einzigen Zahn gezogen habe.

Wir hatten einen ausreichend großen Raum zur Verfügung und konnten zwei komplette Behandlungseinheiten aufbauen. Daher konnten wir in zwei Teams behandeln. Kehls assistierten sich gegenseitig, während ich von der Klinik einen Helfer zugeteilt bekam. Obwohl er sich mit dem Ausleuchten des Arbeitsfeldes und auch mit dem gezielten Absaugen schwer tat, war es doch viel besser als gar keine Assistenz.

Zurück in Tarrafal war dann gerade noch Zeit, den wunderschönen Sonnenuntergang in einer Strandbar zu genießen, bevor es dann um 19.00 Uhr stockdunkel war. Das war der Ablauf von acht Arbeitstagen, Dienstag der ersten bis Donnerstag der zweiten Woche.

Am letzten Freitag waren wir zusammen mit der uns betreuenden Klinikzahnärztin Dr. Estela Chong, meinem Assistenten und Dr. Elisabeth Rodriguez zu Besuch in der Schule, deren Klassen wir in den vorausgegangenen zwei Wochen behandelt hatten. Die Kinder saßen im Pausenhof und die Kollegin Elisabeth brachte ihnen im Frage- und Antwortspiel die Zahnpflege und gesunde Ernährung näher, ein schwieriges Unterfangen, stehen doch an jedem Straßenstand und sogar im Kiosk auf dem Schulhof die Lollis an vorderster Stelle. Nach dem Verteilen von Zahnbürsten an die Kinder erhielten wir sogar ein Diplom und waren zu einem kleinen Buffet eingeladen. Dann haben wir, zurück in der Klinik, die Geräte vollends abgebaut und zusammen mit den Instrumenten und Materialien verstaut.

Das Wochenende zwischen den beiden Behandlungswochen war Freizeit gewesen.

Am Samstag besuchte ich zusammen mit den Kehls das Museum des ehemaligen Konzentrationslagers in Tarrafal, danach erkundete ich die nähere Umgebung mit einem geliehenen Mountainbike. Am Sonntag ließ ich mir den gesamten Nordteil der Insel von dem Fahrer eines Sammeltaxis zeigen. Unser Pensionswirt Sabri Sabronze war so freundlich, mir beides zu organisieren.

Am Samstag, nach dem Frühstück, ging der Transfer zurück nach Praia, wo wieder organisatorische Arbeit für Wolfgang Kehl anstand. Wir besichtigten ein Appartement in der Stadt, das für die nächsten Einsätze von der DWLF dauerhaft angemietet werden sollte.

Nach einem guten Abendessen im Restaurant „cinque la musica“, einem Bummel durch die kitschig weihnachtliche Fußgängerzone und einem Abschiedsdrink in einem Straßencafé ging es dann um 11.00 Uhr nachts zum Flughafen zur Heimreise nach Deutschland, wo ich am nächsten Mittag zwar müde, aber mit sehr vielen schönen Eindrücken der vergangenen zwei Wochen wieder ankam.

Dafür bedanke ich mich bei der DWLF, den vielen Ansprechpartnern und Helfern auf den Kapverden und ganz besonders beim Ehepaar Ute und Wolfgang Kehl, mit denen zusammenzuarbeiten mir sehr viel Freude bereitet hat.