von Dr. Helmut Hering (E-Mail: dr.hering [at] gmx.de)

Ein Team aus Hessen vom 4. – 16.  September 2016
auf Kapverdens Insel Santiago

bild1Es war der erste Tag in der ungewohnten Hitze der Kapverden, als wir nach Einrichtung unseres Behandlungsraumes auf der Suche nach dem kürzesten Fußweg zum Atlantik waren: da staunten wir nicht schlecht, als wir an einem Zentrum für Implantologie vorbeiliefen – nein, das ist nichts für den normalen Bewohner von Praia, dieser etwas gesichtslosen, so grauen wie bunten Hauptstadt im Süden der Insel Santiago. Nur die wenigsten Menschen können sich diesen Luxus leisten, wo selbst eine einfache Zahnfüllung schon unerschwinglich ist. Extraktionen sind billiger und werden schnell erledigt, wie wir es an unserem Arbeitsplatz, einem Gesundheitszentrum in Praia, erleben konnten: den Behandlungsraum, den „Sala Dentista“, teilte sich unser Team, die beiden Helferinnen Michaela Weyrich und Tanja Westbrock, die Zahnärztin Claudia Hirzel und der Zahnarzt Dr. Helmut Hering, mit der einheimischen Kollegin Elisabeth. Sie behandelte ihre Patienten ausschließlich chirurgisch, denn die technischen Möglichkeiten, konservierende Zahnheilkunde anzubieten, fehlten ihr.

Aber wir hatten sie, mit zwei Behandlungseinheiten der DWLF und einer durchaus üppigen Menge an besten Füllmaterialien. Drei Stühle in einem Zimmer, das wurde eng, ohne dass Elisabeth noch wir vier „Grenzenlosen“ mangels Körperfülle selbst viel Platz beansprucht hätten. Aber wir arrangierten uns problemlos in gegenseitiger Rücksicht und kollegialer Freundlichkeit, wobei uns Elisabeth mit guten Englischkenntnissen eine oft wertvolle Dolmetscherin war. Denn nicht immer reichten die pantomimischen Fähigkeiten noch die wenigen uns zur Verfügung stehenden Vokabeln, den Patienten unser Tun verständlich zu machen. Wundersam aber einigten wir uns in der Regel, nachdem ein jeder in seiner für den Anderen ganz und gar fremden Sprache Anliegen und Vorhaben kurz dargelegt hatte, kopfnickend oder schulterzuckend darauf, dass wir uns zwar nicht verstanden haben, aber gleichwohl einverstanden sind  (man denke an Hebels Erzählung „Kannitverstan“).

bild2Die Füllungstherapie nahm den größten Raum unserer Arbeit ein, dabei entstanden hin und wieder vor allem an bedenklich dezimierten Schneide-zähnen so kühne wie auch schöne Rekonstruktionen, was uns die Patienten mit fröhlichem Lächeln dankten.

Die oft allzu tiefe Karies, namentlich im Seitenzahnbereich, stellte uns oft vor die Frage, wie weit wir angesichts der Situation der Patienten exkavieren sollen, ob es angeht, nicht ganz gesundes Dentin zu belassen oder die Gefahr einzugehen, doch die Pulpa zu eröffnen. Ob sich Kompromisse letztlich als segensreich erweisen, können wir, wieder in bild3Deutschland zurück, nicht mehr erleben. Wurzelkanalbehandlungen sind begrenzt möglich gewesen, sind aber wegen fehlender Kontrollmöglichkeiten (Röntgen) auch wieder nur gut gemeinter Kompromiss. Aber oft überstieg die Zerstörung selbst die großzügigste Auslegung, und wir taten es Elisabeth gleich und extrahierten Wurzelreste wie nicht mehr Erhaltungsfähiges. Das geschah vor allem an unserem ersten Arbeitstag, als unvermittelt der Strom ausfiel – und mit ihm das wichtigste Gerät im Zimmer, die Klimaanlage. Sorgen schon 20 bis 30 tägliche Patienten für genügend hitziges Treiben, so tut die Sonne unbarmherzig Schweißtreibendes hinzu.

Doch nur selten versagte die kühlende Anlage an der Decke des Behandlungszimmers und auch die Behandlungseinheiten funktionierten weitgehend störungsfrei. Den Rest, für den man zu Hause sofort den Kundendienst bestellt, erledigten wir mit Improvisation.

Eine besonders hübsche Begegnung erlebten wir beim Besuch eines Kindergartens in Praia, eine entzückend lebendige Schar kleiner Mädchen und Jungs, die in engen Räumen mit erstaunlicher Disziplin auf uns warteten, bis wir ihnen nach Inspektion ihrer Zähne eine Zahnbürste mit einer Tube Zahnpasta schenkten, schließlich zur besonderen allgemeinen Freude Luftballons verteilten, die aufzublasen sofort mit unterschiedlichem Erfolg versucht wurde.

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bild5Die ungemein patente Leiterin der Einrichtung erteilte temperamentvollen Unterricht in Dingen gesunder und weniger gesunder Ernährung und der Notwendigkeit der täglichen Zahnpflege. Wenn Sie, geneigte Leser, es uns und den anderen Gruppen nachmachen wollen, so möchten wir Ihnen Mut machen. Sie begegnen vielen freundlichen und ungewohnt hilfsbereiten Menschen, sie werden Ihre Arbeit als unbedingt nötig erleben, danach können Sie sich mit dem köstlichen „Strela“ (dem heimischen Bier) wohltuende Erfrischung gönnen, für erstaunlich wenig Geld gut essen, Sie wohnen in einem gepflegten, von DWLF angemieteten Haus, zuweilen zusammen mit geschwinden, nicht ganz appetitlichen aber ganz und gar ungefährlichen Kakerlaken. Und was Ihnen an kleinen Anfechtungen, mit denen Sie bei einem solchen Einsatz immer rechnen müssen, noch mehr begegnen mag, so schaffen Sie das mit Humor!

Gute Reise!

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