von Lajos Bessenyei (E-Mail: dislabess [at] arcor.de)

DWLF – Hilfseinsatz der Gruppe 10 auf der Kapverdischen Insel Santiago/Achadinha vom 04.07. bis zum 18.07.2016

Team-Mitglieder:

  • Lajos Bessenyei AD,  GL
  • Corina Klein AD
  • Henrike Rudolf ADH
  • Lisa Marie Sauer ADH
  • Elisabeth Correia Rodriques, Zahnärztin vor Ort
  • Vanessa, Helferin von Frau Rodriques

Ankunft

02.07.2016 Flug von Frankfurt über Casablanca nach Cabo VerdeBis Casablanca planmäßig von dort eine Stunde Verspätung. Ankunft 03.07.  2.30 Uhr nachts.

Zur unseren Empfang war Elisabeth da, nur kein Fahrer der uns nach Palmarejo fahren würde. Der Fahrer kam ca. eine Stunde später. Wir saßen vor dem Flughafen und genossen die laue Nacht. Dann wurden wir mit unserer Fracht zum Wohnheim gebracht. Ein schönes Appartement mit ausreichend Zimmern für vier Personen

Vorbereitungstag

Nach ein paar Stunden Schlaf fuhren wir zur Praxis, ein Behandlungsraum im Health Center of Achadinha.

IMG-20160706-WA0001Die Behandlungsstühle und Einheiten mussten zusammengebaut werden, Material für die Behandlung wurde ausgepackt und einsortiert.

Am Nachmittag wurden wir zu einem Ausflug nach Cidade Velha eingeladen. Erst fuhren wir zum ehemaligen Sklavenmarkt der ersten Stadt auf Kapverden, dann wartete eine Überraschung auf uns, wir fuhren weiter mit für uns unbekanntem Ziel.

Dominques der uns eingeladen hat, ist selbst Arzt und Bürgermeister der Stadt, brachte uns in die Gartengaststätte von Hotel Vulcano zu einem Brunch mit Musik und angenehmer Ambiente.

Das Hotel liegt direkt am Ozean, wir konnten von der hohen Mauer auf das tosende Wasser mit schäumendem  Gischt  hinunter blicken. – Alles sehr beeindruckend für das erste Mal.

1. Arbeitswoche

IMG-20160707-WA0000Der nächste Tag war der 4. Juli unser erster Arbeitstag,  die Arbeitsumstände waren eher gewöhnungsbedürftig. Wir arbeiteten nebeneinander in einem Zimmer zu viert, d. h. zwei Zahnärzte und zwei Helferinnen, hinzu kam noch die Zahnärztin vor Ort Elisabeth Rodriques und ihre Helferin Vanessa. Also sechs Personen ständig im Zimmer und drei Patienten. Täglich ca. 30-35 Behandlungen verteilt auf zwei Zahnärzte.

Die Behandlungen bestehen hauptsächlich aus Extraktion, die Gründe dafür sind vielfältig: Einerseits sind die Hygienemöglichkeiten extrem beschränkt, die Kinder bekommen wahrscheinlich, um ihren Hunger  zu tilgen, billige Süßigkeiten und aufgrund der sozialen Stellung werden sie nicht rechtzeitig dem Zahnarzt vorgestellt. So kommen natürlich, wenn ein Einsatzteam vor Ort ist die Menschen scharenweise und das Bild ihres oralen Zustandes ist erschütternd.

Zerstörte Zähne in allen Quadranten, bei Kindern sind es die Milchzähne bei Erwachsenen neben mehreren Wurzelresten, einige tief kariöse Zähne, auf die alle nur ein Schicksal wartet: Die Extraktion.

Es gibt hier kein Röntgengerät und auch kein gutes Umfeld für Endodontie (hohe Pateintenfrequenz und unser kurzer Aufenthalt sind Kontraindikation). Also selbst bei einer Füllung muss man gut abwägen ob das auf Dauer gut geht – oder ist die Extraktion die sichere Therapie?

Der 05.07. ist ein Nationalfeiertag, Zeit für den Arbeitskreis

IMG-20160704-WA0000Die anderen Arbeitstage der Woche waren analog, wir haben gegen ca. 8.30 Uhr mit der Behandlung angefangen und bis 14-15 Uhr ohne Mittagspause durchgearbeitet.

Manchmal tut es leid bei jungen Frauen eine oder mehrere Frontzähne, die unter Umständen erhaltungsfähig wären, in einer Sitzung zu extrahieren aber wenn wir nicht mehr hier sind und die Pulpa sich unter der Füllung entzündet, wäre ihnen auch nicht geholfen gewesen. Ich verstehe den Grund nicht, wieso es soweit kommen konnte. Bei manchen Patienten sieht es so aus als wären sie noch nie beim Zahnarzt gewesen.

Es sind vorwiegend nur Frauen die im Erwachsenenalter zum Zahnarzt gehen und mit 19-29 Jahren haben sie schon mehrere zerstörte Zähne. Bei Kindern zwischen Mädchen und Jungen hält sich die Waage. Junge Männer gehen extrem selten in die Behandlung, nur der 12.07.16 war eine Ausnahme: Es sind mehrere Häftlinge aus einem Vollzugsanstalt zu uns gebracht worden, von denen einige Aids hatten. Einige ältere Männer sind in der Praxis gewesen, sie kommen auch nur wenn ihnen Zähne extrahiert werden müssen

Freizeit und Ausflüge

Neben der Arbeit haben wir uns mit der Umgebung vertraut gemacht. In der Woche waren wir am naheliegenden Strand baden und am Wochenende sind wir immer weggefahren.

Der 5.7. war der Unabhängigkeitstag ein Nationalfeiertag, da sind wir mit Taxi nach Sao Francisco gefahren. Übrigens, man muss immer ein Taxi nehmen wenn man irgendwohin möchte, da hier öffentliche Verkehrsmittel so gut wie nicht existieren.  

Am 7.7. waren wir in Plateau, Altstadt genannt, wo auch der Präsidentenpalast ist. Dieser Teil von Praia ist schöner als Palmarejo, wo wir wohnten. Hier habe ich in der Gaststätte des zentralen Platzes einen Espresso getrunken und eine Pizza mit Bier bestellt. Das Bier kam sofort eiskalt und das Glas war ebenfalls eisgekühlt, sonst wäre das Bier wahrscheinlich sofort warm, denn der Inhalt  einer Flasche ist 0,25 l und nennt sich „Super Bock“, einheitlich auf der ganzen Insel.  

Am 08.07. waren wir in Palmarejo am Strand, der Sand ist schwarz wegen des vulkanischen Ursprungs, die Wellen mindestens einen Meter hoch und rollen ununterbrochen. Kinder und Jugendliche springen gern darunter oder versuchen darauf zu bleiben, was ich auch mit Vorliebe versucht habe.

Am Samstag sind wir vom Markt Sucupira mit einem Minibus nach Tarrafal gefahren. Die Umstände, wie man hier mit dem Fernbus fährt, sind unbeschreiblich. Schon als man mit dem Taxi am Markt ankommt, laufen junge Burschen neben dem Wagen und halten sich am Fenster fest und bieten lauthals ihren Dienst an. Das sind aber nur die Schlepper.  

Als wir ausgestiegen waren, haben uns mindestens zehn Mann umringt und der Wirrwarr wurde schlimmer. Meine Kolleginnen meinten, sie steigen nicht in ein Auto ein, wenn sie mit Nachdruck hineingezerrt werden. Ich habe nur bemerkt wenn wir jetzt nicht einsteigen, stehen dann nicht nur zehn sondern 100 Leute um uns. Außerdem waren nur vier Plätze frei. Der Fahrer zeigte auf die Uhr, um uns zu motivieren. Wir sind eingestiegen in der Hoffnung, dass er sofort losfährt.  Er ist dann auch paar Meter gefahren, hat uns etwas zusammengedrückt und nahm noch mindestens drei Mann mit.

So nahm die Fahrt nach Tarrafal ihren Anfang. Neben mir saß ein älterer Herr, der sich häufig bekreuzigte. Er wäre sonst der ideale Gesprächspartner für mich gewesen, aber hat außer portugiesisch nur französisch gesprochen. So hatten wir uns mit Hilfe der Zeichensprache verständigt. – Wir sind dennoch heil in Tarrafal angekommen.

Tarrafal hat einen sanierten Stadtkern, einen Markt  und  ein schönes Beach aber zu kaufen gibt’s dort nicht einmal Wasser. Am Strand kommen manchmal Frauen mit einer großen Schüssel auf ihrem Kopf vorbei und wollen entweder Kokosnüsse oder Erdnüsse oder anderes Schnulli verkaufen. Ich hatte Durst und habe eine Kokosnuss gekauft. Sie hat sie gleich aufgeschlagen und mir mit Strohhalm gereicht. So habe ich das erste Mal die Flüssigkeit der Kokosnuss probiert. Gut gegen Durst,  hat keinen charakteristischen Geschmack  und steril.

Am Nachmittag gegen 5 Uhr fuhren wir mit einem anderen Minibus zurück.

Am Sonntag fuhren wir nach Sao Francisco. Hier waren wir schon am Dienstag. Diesmal waren mehr Leute draußen als am nationalen Feiertag.

2. Arbeitswoche

Am Montag ging es mit der Arbeit weiter. Die 2. und letzte Woche begann. Die Arbeit war abwechslungsreich wie immer, mit vielen Extraktionen.

Am Dienstag den 12.07. brachte man uns Häftlinge mit polizeilicher Begleitung, einige davon hatten Aids. Die Behandlung hat sich auf Extraktion beschränkt.

Am Mittwoch den 13.07. kamen erst Schulkinder mit relativ gutem Gebiss, dann Kindergartenkinder mit schlechten Zähnen. Die Kinder waren teilweise nicht motivierbar. Zum Glück war über eine Stunde Stromausfall und die Kinder sind weiter gezogen. Danach kamen noch einige Erwachsene zur Füllungstherapie und Extraktion. Das war der leichteste Tag von allen, nach 13 Uhr hatten wir keine Patienten mehr.

Der 14.07. hat wie jeder andere Tag begonnen, um 07:45 Uhr holte uns der Fahrer ab und wir fuhren in das Gesundheitscenter. Nach dem routinemäßigen Beginn kamen Schulkinder zur allgemeinen Untersuchung und Behandlung. Viele von ihnen hatten schon schlechte Zähne, leider auch solche die extrahiert werden sollten, es gab aber auch gute Beispiele. Größere Kinder waren einsichtig und ließen sich normal behandeln. Es gab unter den Kleinen auch widerspenstige, die mit ihrem Schreien die anderen im Zimmer und auch im Wartezimmer ansteckten. Bei solchem Radau war nur ein Glück, dass die Helferin vor Ort, Vanessa, mit viel Einfühlungsvermögen und Engelsgeduld auf die Kinder einredete und so eine Behandlung ermöglichte. Ohne ihre Hilfe wären einige Behandlungen nicht möglich gewesen.

Auch an diesem Tag haben wir sehr viele Extraktionen durchgeführt und Füllungen gelegt, am Ende hatten wir viel gute Arbeit erbracht und dennoch zeitig Feierabend gemacht.

Prophylaxetag

20160715_10110015.07.2016, der letzte Arbeitstag. Heute hatten wir die Aufgabe Prophylaxe bei Kindern durchzuführen. Wir sind in die nahe liegenden Kindergarten gegangen und vor den erstaunten Kindern versucht zu erklären, wie man sich die Zähne putzt. Lieder war die Verständigung sehr spärlich da wir portugiesisch nicht sprechen und die Kinder weder deutsch noch englisch verstehen.

Die hiesige Zahnärztin Elisabeth hat anhand von Aufklärungsblättern die gesunde und ungesunde Ernährungsweise erklärt, anschließend demonstrierten wir die richtige Zahnputztechnik, danach haben wir unter den Kindern Zahnbürsten und Zahnpasta ausgeteilt.

Einsatzende

IMG-20160714-WA0001Am Nachmittag ca. 13.30 Uhr hat uns Elisabeth zum Mittagessen im Gesundheitszentrum eingeladenen. Das Menü war ein Eintopfgericht „Cachupa“ genannt. Es ist das typische Nationalgericht auf den Kapverden. Danach wurden wir verabschiedet mit tausend Dank für unsere Arbeit.

Fazit

Wir haben an acht Behandlungstagen ca. 290 Patienten behandelt, die eine primäre Schmerzbehandlung oder die längst fällig gewesene Füllungstherapie benötigten. Insgesamt hatten wir 140 Befunderhebungen, 215 Extraktionen, 183 Füllungen und 52 Zahnsteinentfernungen durchgeführt. Mit der Gruppenprophylaxe konnten wir ca. 80 Kinder aufklären. Von oraler Rehabilitation können wir nicht reden aber unsere Anwesenheit und Bemühung trägt dazu bei, dass für die aufwachsende Generation die Mundhygiene und der Besuch beim Zahnarzt selbstverständlich wird, wie auch das Bewusstsein, dass zur körperlichen Unversehrtheit auch die orale Gesundheit gehört. Was mich zum Nachdenken bewegt: in der Stadt sind etliche Zahnarztpraxen, die auf gut sichtbare Weise ihre teilweise hochwertigen Leistungen anbieten…  

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