Bericht von Julia Linseisen
Wir reisten für 2 Wochen (vom 30.09.2022 bis 15.10.2022) mit Zahnärzte ohne Grenzen nach Praia auf die Kapverdische Insel Santiago. Unser Team bestand aus
- Dr. Heribert Königer (ZA),
- Dagmar Frank (ZÄin),
- Jana Oguntke (Studentin) und
- Julia Linseisen (Studentin).
Bereits der Hinflug war etwas turbulent, da wir unseren Anschlussflug in Lissabon nicht erreichten und deshalb einen halben Tag in Portugal verbrachten. Abends in Praia gelandet, mussten wir uns erst einmal akklimatisieren. Das Wochenende nutzten wir, um uns als Team näher kennen zu lernen und die Insel Santiago zu erkunden. Nach einem Spaziergang durch die jetzige kapverdianische Hauptstadt, besuchten wir die alte Hauptstadt Cidade Velha. Am Sonntag ging es mit dem Auto quer durch den grünen Dschungel in Richtung Norden zu dem wohl bekanntesten Strand in Santiago: Tarrafal. Abends lernten wir bereits ein paar Einwohner, auf einem Straßenfest in den nächtlichen Gassen von Praia, näher kennen. Unsere Unterkunft war nahe unseres Einsatzortes in Achada Santo António.
Am Montag wurden wir von einem Minibus abgeholt und ins Centro de Saude, Santo Antonio gebracht. Dort lernten wir das Team vor Ort bestehend aus Dr. Elisabeth Rodrigues und den Dolmetscher Emanuel kennen. Emanuel ist als Krankenpfleger angestellt, um beim Übersetzen zu helfen, denn die Landessprache ist Kreol: eine Mischung aus Portugiesisch und anderen afrikanischen Sprachen. Ein paar wenige Wörter haben wir in unserer Zeit dort gelernt, die uns bei der Verständigung mit unseren Patienten sehr weiter geholfen haben: chumba (Füllung), fiche (gut) und tra dent (Extraktion).
Nach unserer Ankunft im Gesundheitszentrum packten wir erst einmal unser mitgeführtes Material aus. An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich bei unseren Spendern für die großzügige Bereitstellung der Materialien:
- Kolibri Apotheke Erlangen,
- Dentaldepot Henry Schein (Niederlassung Passau),
- Praxis Dr. Rolf Linseisen in Passau,
- das Land Tirol,
- Bahnhofsapotheke Mittenwald,
- Praxis Dr. Heribert Königer in Mittenwald,
- zahnärztliche Fachpraxis Dr. Bodo Wolf & Dagmar Frank in Kiel.
Trotz unserer mitgebrachten Ausrüstung, konnten wir aber auch bereits vor Ort einiges vorfinden. Die Station besteht aus zwei Liegen mit jeweils mobiler Absaugung und Einheit. Nach unserem „Einzug“ ging es auch schon los mit der Behandlung.
Unsere Patienten waren überwiegend Kinder oder Jugendliche. Durch die fehlende Aufklärung zum Thema Zahnprophylaxe ist bei Vielen bereits das Milchgebiss zerstört. Auch die bleibenden Zähne werden dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Wie wir erfahren haben, ist dort auch die Regel nur maximal einmal täglich die Zähne zu putzen. Außerdem werden neben den Schulen viele kleine Stände aufgestellt, die Süßigkeiten verkaufen.
Um an dieser Stelle auch eine kleine Geschichte anzuführen, die uns beeindruckt hat: In den zwei Wochen Behandlungszeit kam immer wieder eine Köchin einer Grundschule zu uns. Mit im Schlepptau hatte sie meist 5-10 Schüler, die sie zur Behandlung brachte. Mit ihrer Hilfe haben wir wahrscheinlich eine komplette Klasse dieser Schule behandelt, obwohl sie als Köchin dafür keine Verantwortung hätte tragen müssen.
Wegen der mangelnden Mundhygiene in der Kindheit haben wir aber auch viele Patienten gesehen mit Parodontitis im jugendlichen Alter. Interdentalbürstchen sind leider nur in ausgewählten Apotheken erhältlich. Nach mehreren Versuchen vor Ort welche zu erstehen, mussten wir feststellen, dass sechs Interdentalbürstchen für 10 Euro verkauft werden. Zudem gab es auch nur eine Größe im Laden zu kaufen. Für einen normalen Durchschnittsverdiener auf den Kap Verden ist das leider nicht erschwinglich. Deshalb auch an dieser Stelle die Bitte an künftige Teams, Interdentalbürstchen zusätzlich zu Zahnbürsten mitzunehmen.
In unserer ersten Arbeitswoche haben wir uns bereits so aufgeteilt, dass sich ein Behandlungsteam mehr auf Füllungen spezialisiert hat und das andere das Augenmerk auf Extraktionen legte. Wegen eines fehlenden Röntgengeräts haben wir keine endodontischen Behandlungen durchführen können. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase unter den neuen Umständen haben wir beschlossen pro Patient nur ca. die Hälfte des Behandlungsbedarfes pro Sitzung durchzuführen, um auch anderen noch die Möglichkeit auf eine zahnmedizinische Versorgung zu ermöglichen. So haben wir einige Patienten mehrmals die Woche behandelt, aber auch täglich viele neue zu Gesicht bekommen.
Die Behandlungszeit war von ca. 8.30 Uhr bis 15 Uhr mit einer einstündigen Mittagspause. Täglich bekamen wir von der Köchin des Gesundheitszentrums ein frisches Mittagessen gekocht. Meist bestehend aus Reis, Fisch oder Fleisch mit Gemüse und Bohnen. Dies wurde im Behandlungsraum mit Dr. Elisabeth Rodrigues und Emanuel eingenommen. Den Feierabend nach der Behandlung ließen wir gerne am nahegelegenen Strand „Kebra Kanela“ und mit einem guten Abendessen ausklingen.
Übers Wochenende, zwischen den Arbeitswochen, haben wir uns entschlossen, mit der Fähre zu der benachbarten Insel Fogo zu fahren und dann mit dem Flugzeug wieder nach Santiago zurückzufliegen. Die Nacht von Samstag auf Sonntag verbrachten wir auf dem Vulkan in einem Haus, das aus Lava Steinen erbaut wurde.
Die zweite Behandlungswoche beendeten wir mit einem Prophylaxe-Tag am Freitag, an der nahen gelegenen Schule. Um den Kindern das Zähneputzen möglichst ohne Sprachbarriere näher zu bringen, haben wir ein kleines Pantomime-Theaterstück aufgeführt. Dabei wollte eine kleine Schülerin ihren Schultag ohne die Zähne zu putzen meistern, aber immer wieder kam die Zahnfee und hat ihr erklärt, wie man es richtig macht. Danach hat jedes Kind eine Zahnbürste und eine Zahnpasta von uns geschenkt bekommen.
Da es der letzte Einsatz in diesem Jahr in Praia war, haben wir alle Geräte einschließlich der Liegen und das gesamte Material und Instrumentarium zusammengepackt, damit dieses für ein Nachfolgeteam zum nächsten Einsatzort auf der Insel Santiago transportiert werden kann.
Zum Schluss lässt sich sagen, dass dieser Einsatz auf alle Fälle eine Reise wert war. Wir lernten Menschen kennen, die uns zeigten, was pure Lebensfreude ist. Unsere Tage waren geprägt von dem kapverdischen Motto „no stress“ und wir erlebten die völlige Gelassenheit der Einheimischen. Auch unsere Behandlungen waren viel emotionaler als wir es aus Deutschland kannten – und man zeigte uns, wie sehr Gefühle, Tanz und Musik in der Gesellschaft dort verankert sind, und dass es manchmal nicht viel braucht, um den Menschen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.