Bericht von Adelina Haksteter (E-Mail: a.haksteter [at] gmx.de)
Erstes Kennenlernen
Rund anderthalb Jahre vor der Abreise meines ersten Auslandseinsatzes nahm ich Kontakt zur Geschäftsstelle der DWLF (Dentists Without Limits Federation) auf und meldete mich für einen Einsatzeitraum auf den Kapverden. Diese Vorbereitungszeit half mir nicht nur, alle logistischen Details zu regeln, sondern auch, mich gedanklich auf das Abenteuer einzustimmen. Meine „Kollegen auf Zeit“ lernte ich vorab bereits durch WhatsApp-Austausche und Telefonate kennen.
Unser Team:
- Dr. Wolfgang Kehl (AD/GL)
- Dr. Ute Kehl (AD)
- Jennifer Brüggenkoch (ADH)
- Adelina Haksteter (ADH)
Die Reise auf die Kapverden begann schließlich am 30. Oktober 2024 und sollte bis zum 15. November 2024 dauern. Alleine startete ich die Reise vom Düsseldorfer Flughafen. Meine Kollegen sollten von anderen Flughäfen, wie Berlin und Hamburg, anreisen. Nachdem ich meine zwei Gepäckstücke, davon eines prall gefüllt mit Materialspenden, aufgegeben hatte, folgte das übliche Prozedere: Sicherheitskontrolle, Boarding und schließlich ging es auf die Startbahn.
Durch einige unerwartete Vorkommnisse vor meiner Abreise, war ich froh Deutschland für einige Zeit den Rücken kehren zu dürfen – ab jetzt hieß es: „Abenteuer Afrika!“
In Lissabon gab es einen Zwischenstopp. Dort lernte ich zum ersten Mal mein neues „Team auf Zeit“ persönlich kennen. Das waren: Jenny und Ramona sowie das Zahnärzte-Ehepaar Ute und Wolfgang. Nach Aufenthalt in Lissabon ging es schließlich gemeinsam weiter auf die kapverdische Insel Santiago.
Der Start auf den Kapverden
Mitten in der Nacht, angekommen am Flughafen von Praia wartete bereits ein Mitarbeiter des kapverdischen Ministeriums auf uns, um uns von dort sicher zu unserer Unterkunft zu bringen. Nach unserer ersten Nacht auf den Kapverden – die nur von kurzer Dauer sein sollte, ging es nach dem Aufstehen zu einem gemeinsamen Frühstück. Dabei hatten wir die Gelegenheit uns erst einmal etwas näher kennenzulernen. Nach wenigen Tagen der Eingewöhnung starteten wir schließlich am 2. November 2024 mit der Einrichtung unserer provisorischen Zahnarztpraxis. Einheiten, Behandlungsstühle, Absauganlagen und Beleuchtung – all das musste aufgebaut und funktionstüchtig gemacht werden. Zudem musste der Arbeitsbereich mit allen notwendigen Materialien und Instrumenten ausgestattet werden.
Aufgrund begrenzter Ressourcen sollten vor allem Extraktionen, Füllungen und Wurzelkanalbehandlungen durchgeführt werden. Das Behandlungsziel bestand vor allem darin, die Patienten von ihren Schmerzen zu befreien.
Die eigentliche Arbeit beginnt
Am 4. November 2024 starteten wir schließlich mit den Patientenbehandlungen. Diese wurden für die Bevölkerung kostenfrei angeboten. Die hygienischen Gegebenheiten vor Ort waren anders als das, was man aus den Zahnarztpraxen in Deutschland gewohnt war. Dieser Zustand machte mir persönlich aber nichts aus – die Arbeit und vor allem die Menschen dahinter waren wichtiger als die äußeren Umstände.
Die ersten Tage waren geprägt von vielen neuen Eindrücken. In unserem zweiwöchigen Einsatzzeitraum führten wir insgesamt 147 Kontrolluntersuchungen, 213 Extraktionen, 131 Füllungen und zwei Wurzelkanalbehandlungen durch. Doch selbstverständlich sollte auch der prophylaktische Aspekt berücksichtigt werden. So wurde jeder Patient vor oder nach der Behandlung über die Methoden der richtigen Mundhygiene aufgeklärt. Zudem bekam jeder Patient eine Zahnbürste geschenkt, um Erlerntes direkt in die Tat umsetzen zu können.
Dankbarkeit, die das Herz berührte
Der Fall eines älteren Mannes blieb mir besonders im Gedächtnis. Er zeigte, wie wertvoll unsere Arbeit vor Ort war. Der ältere Herr suchte uns, geplagt von Schmerzen, die durch mehrere zerstörte Zähne ausgelöst wurden, auf. Nachdem wir ihn durch Extraktionen der schmerzenden Zähne erleichtern konnten, zeigte er sich zutiefst dankbar. Er umarmte uns herzlich, streckte die Hände gen Himmel und machte eine betende Geste. Es war ein herzergreifender Moment, der mir bewusst machte, dass unsere Arbeit vor Ort nicht nur medizinisch, sondern auch menschlich von unschätzbarem Wert war.
Auszeit im Paradies
Unser Aufenthalt auf den Kapverden sollte selbstverständlich nicht nur von Arbeit geprägt sein, sondern bot auch zahlreiche Gelegenheiten, die Schönheit der Insel zu genießen. In unserer Freizeit entspannten wir gerne am Strand, unternahmen Spaziergänge oder ließen uns in gemütlichen Bars oder Restaurants nieder.
Da an den Wochenenden nicht gearbeitet wurde, nutzten wir diese Tage, um die Insel ausgiebig zu erkunden. Eines unserer Ziele sollte ein Ausflug zum traumhaften Sandstrand von Tarrafal sein. Schon die Fahrt dorthin war ein Erlebnis für sich: Wir hatten die Gelegenheit, verschiedene Teile der Insel zu entdecken und atemberaubende Ausblicke zu genießen.
Ein anderes Mal unternahmen wir eine Wanderung in den Bergen. Das Wandern bei über 30 Grad brachte uns zwar ordentlich ins Schwitzen, doch die spektakulären Ausblicke waren jede Anstrengung wert.
Zudem erhielten wir auf unserer Route einen Einblick in das Leben der Inselbewohner, die fernab der Städte lebten. Viele von ihnen leben hauptsächlich von Landwirtschaft. Wir konnten beobachten, wie einige, trotz der großen Hitze, auf ihren Feldern arbeiteten. Eine einheimische Frau lud uns sogar zu einer Tasse Kaffee in ihr Haus ein. Dank der sprachlichen Unterstützung unseres Guides konnten wir uns in geselliger Runde bei einem leckeren kapverdischen Kaffee austauschen.
Schulbesuch
Am letzten Arbeitstag stand der Besuch einer Grundschule auf dem Plan. Die Grundschule befand sich in einem kleinen Fischerörtchen. Die Kinder waren sehr aufgeregt und erwarteten uns bereits gespannt. Nicht nur für uns, sondern offenbar auch für sie war unser Besuch ein ganz besonderes Tag. Die Ausstattung der Klassenzimmer war sehr einfach gehalten und der Schulhof machte einen eher lieblosen Eindruck. Da unsere Portugiesisch-Kenntnisse sich lediglich auf ein paar Worte beschränkten, übernahm an diesem Tag Elisabeth, die sonst eher hintergründig im Einsatz war, das Zepter. Elisabeth ist dort ansässige Zahnärztin und unterstützte uns während der Behandlungen, vor allem als Dolmetscherin. In der Schule klärte sie die Kinder über die Entstehung von Karies auf und demonstrierte anhand eines Modellgebisses mit Unterstützung unserer Kollegin Jenny, wie man sich die Zähne richtig putzt. Nach dem kleinen Präventionsvortrag verteilten wir an alle Kinder und Mitarbeiter der Schule Zahnbürsten.
Auf unserem Rückweg nach Praia fuhren wir an einigen Kindern der Schule vorbei. Diese winkten ganz eifrig unserem Bus hinterher. Welch ein einprägsamer und toller Abschied! Da der Schulbesuch unseren letzten Einsatztag darstellen sollte, machte sich ein Gefühl von Wehmut in mir breit. Gerne hätte ich noch mehr Zeit auf den Kapverden verbracht. Gerne hätte ich noch mehr Patienten geholfen.
Rückblick
Die Reise hat mir so viel mehr gegeben, als ich mir im Vorfeld hätte vorstellen können. Sie hat mich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich bereichert. Die Dankbarkeit und Wärme der Menschen vor Ort haben mein Herz erfüllt und mir gezeigt, wie wichtig es ist, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Diese Erfahrung wird mich mein Leben lang als unvergessliches Erlebnis begleiten. Trotz der teilweise sehr ärmlichen Umstände, hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass die Menschen dort unglücklich sind. Ganz im Gegenteil. Sie leben ihr Leben frei nach dem kapverdischen Lebensmotto „no stress!“.
Gerne würde ich im Jahr 2025 einen weiteren Einsatz ableisten. Mal schauen, welches Ziel das nächste sein wird?