von Johanna Maria Kalinski und Floris Hasse

Voller Vorfreude und mit etwas Aufregung brachen wir, Johanna Maria Kalinski und Floris Hasse am 3. Juni 2023 auf in Richtung Äquator, unserem ersten zahnmedizinischen Einsatzabenteuer entgegen. Das Ziel hieß Afrika, die Kapverden. Schon seit dem Studium hatten wir von einem Auslandseinsatz geträumt und waren überglücklich, dass wir es uns endlich dieses Jahr, mit Hilfe der DWLF, ermöglichen konnten. Trotz einiger Hürden, wie zum Beispiel einer kurzfristigen Teilnehmerverkleinerung vor dem Einsatzbeginn, stand unser Team vor Reiseantritt:

  • ZÄin Sabine Leonhardt (AD, GL),
  • ZÄin Johanna Maria Kalinski (als ADH),
  • ZA Floris Hasse (als ADH),

drei „Neulinge“, die ihre ersten Einsatzerfahrungen sammeln wollten.

In vielen Zoom-Meetings und Telefonaten hatten wir Monate zuvor den Einsatz gründlich vorbereitet, Materialien gesammelt und uns bereits digital kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt dachten wir, der Einsatz wäre noch weit weg.

Später sollten wir herausfinden, weshalb das Abenteuer bereits früher als erwartet beginnen sollte. Unser erstes Reiseziel war der Flughafen Lissabon, dort wollten wir Sabine Leonhardt treffen und gemeinsam in den Flieger Richtung Praia, Santiago steigen, – so zumindest der Plan. Wir hatten schon zuvor gehört, dass eine Stunde Umsteigezeit sehr sportlich werden kann. Leider gab es für uns an dem Tag keinen anderen Flug, also nahmen wir es in Kauf. Sportlich wurde es auch, als – wie sollte es anders sein – unser Flieger aus Hamburg über 30 Minuten Verspätung hatte.

Am Flughafen Lissabon wurden wir, nach weiterer Wartezeit und bereits sehr warmem Klima, in einem Shuttle mehrere Runden bis ans letzte Ende des Flughafens gebracht. Dort hörten wir die Lautsprecherdurchsage: „Final call to Praia!“. Eine Flughafen-Mitarbeiterin sprach uns an, schleuste uns am Sicherheitscheck vorbei und sagte: „You have to be really fast, you have to run!“. Unser Gate war am anderen Ende des Flughafens und wir hatten weniger als fünf Minuten bis zum Abflug auf der Uhr. Wir nahmen die Beine in die Hand und rannten in voller Montur in Rekordzeit über den Flughafen bis zu unserem Gate. In letzter Sekunde erwischten wir schweißgebadet unseren Flieger und trafen auf Sabine, die genauso erleichtert war, wie wir, dass wir es noch gerade rechtzeitig geschafft hatten.

Den Flug über den Atlantik nutzten wir für erste Gespräche und wenig erholsamen Schlaf. Angekommen in Praia ging das Abenteuer weiter. Bis wir durch die Sicherheits- und Passkontrolle kamen, sollten noch Stunden vergehen, da gegen Mitternacht genau ein Mitarbeiter der bestimmt für mehrere Hundert Passagiere zum Stempeln der Reisepässe zuständig war.

Glücklicherweise wurden wir am Flughafen mit einem DWLF-Schild empfangen und sollten zu unserer Unterkunft gebracht werden. Es stellte sich heraus, dass unser Shuttle, ein betagtes Großraumtaxi, mit etwa zehn Sitzplätzen, war. Völlig übermüdet standen wir kurz nach Mitternacht vor dem Flughafen Praia, auf einer Insel, einem fremden Kontinent und beobachteten, wie unser Taxifahrer, bei laustarker Unterhaltung mit einem Kollegen, versuchte, das Ersatzrad des Toyota-Busses auszubauen, um unser Gepäck auf einen bereits bis an die Decke ragenden Kofferhaufen stapeln zu können. Schließlich gab er es auf, wir nahmen unserer Rucksäcke auf den Schoß und gesellten uns neben etwa fünfzehn gut gelaunte Portugiesen und Spaniern, die in dem völlig überfüllten Kleinbus die gesamte Fahrt über für gute Unterhaltung und viel Gelächter sorgten.

Die Fahrt sollte noch zum Erlebnis werden, insbesondere als wir die letzten Passagieren im Taxi waren, bei völliger Dunkelheit durch ein nur wenig beleuchtetes Praia fuhren und merkten, dass unser Fahrer augenscheinlich nicht wusste, wo unsere Unterkunft war.  Alle Hundert Meter hielt er an, stieg aus und sprach mit Passanten und Wachleuten, die vor fast jedem Haus standen und zeigte auf sein Handy, in dem offensichtlich keine genaue Adresse eingespeichert war. Schließlich trafen wir auf einen englischsprechenden Wachmann, der uns zu einem umzäunten Wohnblock brachte und dort, wie er sagte, mit seinen „Boys“ redete. Dann wurde ein Tor geöffnet und ein junger Mann im Trainingsanzug empfing uns mit den Worten: „Boa noite, tudo bem?“ Wir stiegen aus und warteten – reichlich verunsichert – in dem dunklen Innenhof vor dem Taxi. Nach etwa weiteren zehn Minuten begrüßte uns eine fröhliche Stimme, unsere Vermieterin Bénédicte war Luxemburgerin und sprach fließend Deutsch, was für ein Glück. Sie zeigte uns die Wohnung und brachte uns Wasser und ihre letzten zwei Teebeutel, denn hier konnte man das Wasser nicht aus der Leitung trinken!

Erleichtert, dass wir heil in dem Appartement angekommen waren, fielen wir ins Bett und versuchten, nach diesem aufregenden Tag bei fast 30 Grad Schlaf zu finden.

Am Montag war unser erster Einsatztag. Hochmotiviert standen wir um acht Uhr vor unserem Appartement und warteten darauf, abgeholt zu werden. Als wir freundlich von unserem Fahrer Danièle und unserer einheimischen Kollegin Elisabeth gegen 8:30 Uhr begrüßt wurden, ahnten wir bereits, dass hier das kapverdische Motto „no stress!“ gelebt wurde. Unsere deutsche Pünktlich konnten wir uns trotz alledem in den kommenden Wochen nicht abgewöhnen. Die häufig ordentliche Verspätung glich Danièle durch eine rasante Fahrweise, mit mutigen Überhohlmanövern bei lautstarkem Hupen, aus. Dabei ließ er es sich nicht nehmen auch jeden Bekannten an der Straße mit einem rhythmischen Hupen zu begrüßen. Die etwa dreißigminütige Autofahrt ging durch eine hügelige, trockene, braune Landschaft bis in das Dorf São Domingos. Auf unserem Weg begegneten wir freilaufenden Kühen und Ziegen, die in der dürren Einöde nach Nahrung suchten und dabei oft die Fahrbahn blockierten.

Im Krankenhaus Delegacia de Saúde de São Domingos fanden wir bereits das von unserem Vorgängerteam aufgebaute zahnärztliche Material und Instrumentarium vor und ergänzten es durch unsere Materialspenden, die wir in zwei großen Koffern auf die Kapverden mitgenommen hatten. Unser Arbeitsplatz bestand aus zwei mobilen Einheiten mit Absaugung, aufgestellten Büroleuchten und den nötigsten zahnmedizinischen Utensilien. Nachdem wir uns einen kurzen Überblick verschafft hatten, ging es sofort los, denn die Patienten warteten bereits in dem ca. 35 Grad warmen Flur vor dem Behandlungsraum.

Wir begannen jede Behandlung mit einer kurzen Anamnese und handschriftlichen Befundaufnahme. Auf einem Zettel hielten wir fest, welche Behandlungen durchgeführt werden sollten. Dabei planten wir maximal zwei Termine für eine vollständige chirurgische und konservierende Therapie. Gerade die Kommunikation mit den Patienten war herausfordernd. Jedoch ließen sich mit einigen kreolischen Sätzen wie „abre boca, ficha boca“ (Mund öffnen, Mund schließen) im Grunde alle Behandlungen durchführen. Unsere Kollegin Elisabeth dolmetschte für gegenseitiges Verständnis. Leider mussten wir feststellen: Karies gibt es hier zu Genüge, insbesondere bei den Kindern, die sich häufig an kleinen Ständen vor den Schulen mit Süßigkeiten versorgten.

Hauptsächlich führten wir Extraktionen und Reinigungen durch und legten Kunststofffüllungen. Die Schwierigkeit lag in der Therapieentscheidung, die für jeden Patienten individuell getroffen wurde – unter dem Gesichtspunkt, dass jede Lösung dauerhaft und schmerzfrei funktionieren musste. Denn bislang war kein weiterer Einsatz in São Domingos geplant. Jeden Tag behandelten wir mindestens 20 Patienten, je nach Situation von etwa 9 bis 18 Uhr.

Die erste Einsatzwoche verging wie im Flug. Das Wochenende nutzen wir für eine Inselrundfahrt, über Somada, Cidade Velha, Tarrafal und entlang der Ostküste zurück nach Praia. Der krönende Abschluss dieses Tages war ein Besuch im Restaurant „Quintal da Música“, wo wir neben gegrilltem Thunfisch auch eine Liveband erleben durften.

Am Sonntag lud uns unsere Vermieterin Benedicte auf einen „Spaziergang“ in den Bergen von Rui Vaz ein. Dieser „Spaziergang“ entpuppte sich als steile Bergwanderung, auf der wir in schwindelerregenden Höhen uns schrittweise entlang des Abhanges über den Geröllboden heruntertasteten. Auf dem Weg genossen wir eine spektakuläre Aussicht über Santiago, fanden Papaya- und Mangobäume und trafen Einheimische, die mit Kind auf dem Rücken und Gepäck auf dem Kopf in Flipflops den Berg hochliefen.

In der zweiten Einsatzwoche konnten wir neue und bereits bekannte Patienten behandeln. Das Abenteuer Kapverden endete an unserem letzten Tag mit einem Highlight, dem Besuch einer Grundschule in São Domingos. Elisabeth hielt einen Vortrag, wir demonstrierten richtiges Zähneputzen und verteilten Zahnbürsten an die Kinder.

Unser Einsatz mit DWLF war eine unbezahlbare Erfahrung. Die Dankbarkeit der Menschen, die Eindrücke des Landes und der Kultur, die Lebensfreude und die unermüdliche Sonne werden uns für immer in Erinnerung bleiben. Wir sind uns alle einig: der nächste Einsatz wird bald folgen, spätestens wenn „die Trommeln Afrikas“ uns wieder rufen.


Redaktionelle Anmerkung für Einsatzteams:

Empfehlung: Bringen Sie eigene Stirnlampen/beleuchtete Brillen mit!