von Dres. Lena Reichert, Alina Günther

„Kapverden – Afrika für Anfänger“, – so betitelte es eine unserer Gastgeberinnen auf den Kapverden. Das Behandlungsspektrum, das uns auf unserem Einsatz erwartete, ging aber weit über das Niveau eines Anfängers hinaus.

Einsatz-Teilnehmer

  • Dr. Wolfgang Kehl
  • Dr. Ute Kehl
  • Dr. Alina Günther
  • Dr. Lena Reichert

Für uns, Alina und Lena, war es der erste Einsatz mit der DWLF, für Ute und Wolfang jedoch schon der 14.

Auf ihre Erfahrungswerte konnten wir während der gesamten Zeit setzen und das erleichterte uns so Einiges. Wolfgang als Koordinator gab uns schon vor der Reise nützliche Tipps.

Wir lernten uns am Flughafen kennen und glücklicherweise verlief die Anreise problemlos. Der Fahrer des Ministeriums holte uns auch nachts vom Flughafen ab und brachte uns direkt in die Unterkunft. Das Ehepaar Kehl lernten wir morgens beim Frühstück kennen und ab da begann das Abenteuer.

Beim Aufbau wühlten wir uns durch die eine oder andere Kiste, besorgten Tische, kontrollierten Instrumente und Einheiten auf Funktionstüchtigkeit und bereiteten alles unter dem kapverdischen Motto „No Stress“ für die kommenden Wochen vor.

Vor dem Start am Montag lernten wir mit unseren persönlichen Reiseführern Ute und Wolfgang Land und Leute kennen. Unter anderem nahmen wir an einer kreolischen Messe teil, besuchten den bunten und lebhaften Markt „Mercado de Sucupira“ in Praia und George, den allseits bekannten Leuchtturmwärter. Das gab uns vorab schon einen guten Eindruck der kapverdischen Lebensweise und Lebensfreude.

Am Montag begann der Arbeitsalltag morgens um 08:30 Uhr. Wir arbeiteten täglich ca. bis 17:00 Uhr und zwischendurch wurde mit Fisch/Fleisch oder vegetarischen Gerichten – inklusive Nachtisch – stets auch für unser Wohl gesorgt.

Unser Behandlungsort, die PMI Fazenda, ist eines von vielen Gesundheitszentren auf den Kapverden, welches überwiegend den Bereich der Gynäkologie abdeckt aber auch zahnmedizinische Basismaßnahmen anbietet. Trotz allem kann sich ein Großteil der Bevölkerung diese Behandlung selbst nicht leisten (Extraktion 6 €, Füllung 2 €, Zahnstein 2 €) und wartet sehnsüchtig auf die deutschen Zahnärzte.

Dr. Elisabeth Rodriguez, eine Zahnärztin vor Ort, war uns vor allem in der Übersetzung mit Patienten eine große Hilfe, denn Hilfsmittel wie der Google-Übersetzer sind schwierig anzuwenden, da viele Patienten Analphabeten sind.

Dr. Rodriguez trifft vor Projektbeginn außerdem eine Vorauswahl der Patienten, für die eine kostenlose Behandlung durch „Zahnärzte ohne Grenzen“ besonders notwendig ist. Leider gehörten auch behinderte Patienten dazu, vor allem Kinderlähmung stellt ein Problem dar, was wir aus Europa – wegen der Schutzimpfungen – gar nicht mehr kennen.

Auch nach der Corona-Pandemie galt auf dem Klinikgelände Maskenpflicht. Wir schützten uns mit FFP2 Masken und behandelten jeden Patienten, als ob er Träger einer potenziellen Infektionskrankheit wäre (HIV, Hep B). Auf dem Anamnesebogen wurde das zwar häufig angekreuzt, aber es herrscht eine hohe Dunkelziffer.

Das Behandlungsspektrum erstreckte sich hauptsächlich auf konservierend-chirurgische und Prophylaxe-Maßnahmen, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. So extrahierten und füllten wir, was das Zeug hielt. Bei Kindern fiel uns oftmals das Extrahieren der bleibenden Molaren sehr schwer, wenn diese schon im Alter von 5-7 Jahren stark kariös zerstört waren. Daher zählte zu einer wichtigen Prophylaxe-Maßnahme auch das Versiegeln der gesunden Molaren sowie eine Demonstration und Aufklärung über das richtige Zähneputzen. Besonders in Erinnerung bleibt uns hierbei ein Vater, der nicht einmal wusste, wie er die Zahnpastatube öffnen kann. Zu allem Überfluss findet man an jeder Ecke Straßenstände mit Süßigkeiten in jeglicher Variation, womit die Kinder auf günstige Art belohnt werden, das Gebiss aber darunter leidet.

Auch bei Erwachsenen blieb häufig nur die Extraktion von Wurzelresten, die wir mit viel Aufwand aus dem Knochen fräsen mussten und über Zysten enormer Größe verfügten. Schon im jungen Alter haben viele Patienten enorme Lückengebisse, auch im Frontzahnbereich: hochwertige Prothesen können sich die wenigsten leisten, wenn überhaupt, dann eine Interims-Klammer-Prothese.

Positiv überrascht haben uns hingegen die Patienten bei denen nur Zahnstein entfernt werden musste.

Auf endodontische Maßnahmen mussten wir leider, wegen fehlender Röntgengeräte, komplett verzichten. Sowohl Erwachsene als auch Kinder zeigten uns häufig nach der Behandlung durch Umarmungen ihre Dankbarkeit und ihr Vertrauen, welches durch traumatische Ereignisse oder Angst vorher getrübt war.

Während der Behandlung war generell viel Flexibilität und Kreativität gefragt, da die Geräte nicht immer funktionierten. An ein ergonomisches Arbeiten mit guter Sicht oder Licht war auch nicht zu denken, daher können wir eine Lupenbrille oder Stirnlampe für künftige Einsätze nur empfehlen.

Besonders „interessant“ war die sterile Aufbereitung der Instrumente, diese wurden in den 30 km entfernten Ort Assomada gebracht, da in Praia der Steri nicht funktionierte. Ein sparsamer Umgang mit den Instrumenten war von Vorteil, da diese manchmal erst einige Tage später wiedergebracht wurden.

Nicht nur die allgemeine Bevölkerung gehörte zu unseren Patienten. Es wurden fast täglich auch Strafgefangene mit Polizeischutz gebracht und unter äußerster Vorsicht behandelt. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass die meisten davon wegen Mordes im Gefängnis sitzen.

Zusätzlich überrascht hat uns eines Morgens das Kamerateam des portugiesischen Nationalfernsehens, das einen Beitrag über unsere Einsätze auf den Kapverden gefilmt hat. Dieser Beitrag wurde schon in der darauffolgenden Woche ausgestrahlt.

Nach zwei Wochen Behandlungszeit hatten wir unvergessliche Eindrücke gesammelt. Abgerundet wurde unsere Erfahrung mit einem Schulbesuch in einem abgelegenen Bergdorf Alto Gouveia. Diese Schule wurde erst vor wenigen Monaten vom deutsch-kapverdischen Förderverein saniert und zählt jetzt zu einer der modernsten Schulen auf Santiago.

In dem Ort selbst kann man nicht von Modernität sprechen, vor den meisten Häusern/Hütten standen Wassercontainer, da fließendes Wasser nicht vorhanden ist.

Dr. Elisabeth Rodriguez hielt einen Vortrag für Schüler und Eltern über das richtige Zähneputzen sowie Ernährung und wir verteilten im Anschluss an jedes Kind Zahnbürsten. Die Dankbarkeit der Kinder zeigten sie uns durch Umarmungen und gemeinsamen Fotos.

Was uns in Deutschland fehlen wird, ist die gute Work-Life-Balance, die Möglichkeit abends nach getaner Arbeit an den Strand zu gehen und einen Caipirinha mit kapverdischem Grogue zu trinken.

Empfehlen können wir am Wochenende eine Tagestour auf Santiago mit einem Inselguide und eine Woche Urlaub dranzuhängen, um auch eine der Nachbarinseln zu erkunden. Wir waren beispielsweise noch auf Maio und hatten trotz turbulenter Fährfahrt eine großartige Zeit.

Für die einzigartige Erfahrung mit „Zahnärzte ohne Grenzen“ wollen wir uns nochmal herzlich bei Dres. Kehl und Dr. Rodriguez bedanken. Es war ein perfekter erster Hilfseinsatz, der uns auf jeden Fall Lust auf mehr macht. – Danke!