von Alice Gruber

Medizinische Hilfe leisten, an seine Grenzen gehen, etwas bewirken. So oder so ähnlich haben wir uns den Einsatz bei „Zahnärzte ohne Grenzen“ vorgestellt.

15./16.10.2022 – Das Abenteuer beginnt!

Nach monatelanger Vorbereitung (Impfungen, Reisepass, Tickets, Spenden sammeln, …,) geht es endlich los. Wir stehen am Düsseldorfer Flughafen mit acht Gepäckstücken (fünf Koffern und drei Kartons) Inhalt: Kleidung (wirklich reduziert), Material, ein Behandlungsstuhl, einen Hocker und eine transportable Einheit. Letztere wird am Zoll stecken bleiben und wir werden sie in den kommenden zwei Wochen auch nicht wiedersehen.

Ca. 24 Stunden später (9,5 Stunden Zwischenstopp und Kurztrip in Dubai – Kontrastreicher konnte die Reise nicht sein) betreten wir sambischen Boden. Herman Striedl (Lodges Besitzer), Wolli (Zahntechniker aus Österreich) und Phiri (Einheimischer und Hermans rechte Hand) holen uns ab. Da wir leider am Zoll so lange aufgehalten wurden (s.o.) wird es auf dem Weg zur Sandy-Beach-Lodge dunkel, – ziemlich dunkel! Die Straßen sind hier nicht befestigt und Beleuchtung gibt es auch keine, dafür aber jede Menge Schlaglöcher. Irgendwo im Nirgendwo treffen wir eines dieser Schlaglöcher – und es kostet uns zwei Reifen. Da stehen wir nun! Jedoch sind die Sambesi so hilfsbereit, dass fast alle Autos und auch LKWs anhalten und ihre Hilfe anbieten. Tatsächlich hat jemand einen passenden Reifen im Kofferraum und von wo anders wird schnell ein anderer geholt. Phiri fixt die Reifen, alle helfen mit und weiter geht’s.

Nach einem etwas turbulenten Start kommen wir – nach einer langen Anreise – in der Sandy-Beach-Lodge an. Zum Glück gibt’s noch etwas zu essen!

17.10.2022 Clinic Siavonga

Unser erster Einsatztag ist die Clinc in Siavonga. Das örtliche Krankenhaus ist ausgestattet mit einer Kinderstation, Urologie, Entbindung, OP-Saal, Intensivstation und einem Zahnbehandlungsbereich. Bitte jetzt nicht gedanklich mit einer deutschen Klinik vergleichen. Die Bedingungen sind so anders. Natürlich weiß man in der Theorie, wie es dort aussieht und es ist ja auch Sinn der Sache, dass wir die medizinischen Verhältnisse verbessern wollen. Trotzdem ist es etwas anderes die Theorie in der Praxis zu erleben. Der Gedanke „hier möchte ich nicht krank sein“ kommt auf. Deutsche Verhältnisse stehen hier nicht im Vergleich.

Unser Bereich ist ausgestattet mit zwei Zimmern, in denen es auch Behandlungsstühle gibt und vier „dental therapists“ (Ausgebildete oder in Ausbildung Befindliche, die für die zahnmedizinische Versorgung zuständig sind) mit weißen Kitteln stehen parat, wir werden schon erwartet. Draußen, auf dem Flur, steht eine Holzbank, auf der die Patienten sitzen. Wer zuerst kommt, wird zuerst behandelt.

Die Einheiten funktionieren nicht, keine Absaugung, kein Wasser am Stuhl auch nicht für die Kühlung, das Speibecken funktioniert nicht, keine Flächendesinfektion, keine Anästhesie, keine Ordnung … Hauptsache die Klimaanlage läuft!

Wir behandeln so gut es eben geht. Ein Vater mit seinen zwei Kindern hat sich extra früh morgens auf einen dreistündigen Fußmarsch gemacht, um jetzt bei uns auf dem Zahnarztstuhl zu sitzen. Das berührt und geht unter die Haut.

Zwischendrin kommt uns der Gedanke mehr machen zu müssen, mehr helfen zu müssen, dass das Ganze eine wirkungslose Sache ist, wenn wir innerhalb von zwei Wochen so viele Patienten wie möglich durchschleusen und versuchen das Personal vor Ort anzulernen.

18.10.2022 Lusitu und Maxwell

Tag zwei. Jetzt wissen wir wie es geht. Mit gepackter Kiste geht’s ins nächste Örtchen Lusitu. Maxwell (kurz Max) empfängt uns. Er ist auch dental therapist und macht einen wirklich tollen Job. Er brennt für seine Arbeit und ist super engagiert. Die Clinic ist ein Raum mit funktionierendem Behandlungsstuhl. Wir freuen uns! Das Wartezimmer ist draußen und auch hier werden wir schon erwartet. Zusammen mit Max behandeln wir die Patienten. Dem Kompressor ist es zu heiß, er streikt. Mit nassen Tüchern versuchen wir ihn zu kühlen. So schnell wie die Tücher trocknen, können wir nicht arbeiten. Immer wieder fällt das Gerät aus. Auch wir schwitzen. Mit erzwungenen Pausen können wir leider nicht alle Patienten behandeln, das frustriert natürlich. Max muss die Patienten morgen allein behandeln.

19.10.2022 – 21.10.2022 – in der Umgebung

In den folgenden Tagen sind wir immer an einem anderen Ort, die Ausstattung wird immer magerer, teils ohne fließendes Wasser und ohne Strom. Wir schleppen täglich unser Equipment mit: mobiler Kompressor, sämtliche Sachen in unserer Kiste, eine mobile Absaugung, der Behandlungsstuhl und der Hocker. Ebenso unser stetiger Begleiter: der rote Afrikastaub. Er ist überall, in jeder Ritze, selbst wenn wir nur kurze Strecken fahren, müssen wir alles sauber putzen.

Nach den langen Behandlungstagen werden von uns in der Lodge die Instrumente aufbereitet und sterilisiert. Wir zeigen besser keine Bilder.

22.10. – 23.10.2022 – Wochenende

Juhu, es geht auf Safari! Bei dem Arbeitspensum und der Hitze wirklich ein guter und sehr schöner Ausgleich. Wir sehen viele Tiere, von Elefanten über Wasserbüffel, Antilopen, Gazellen, Kudus… wir haben eine Menge Spaß.

24.10. – 28.10.2022 – Die 2. Woche

Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team und kommen mit den Umständen ziemlich gut zurecht. Die Clinic in Siavonga wird nochmals besucht. Es ist aufgeräumt und ordentlich, das freut uns.

Wir sind an verschiedenen Orten auch an Schulen. Der Behandlungsraum ist die Mensa. Hinter uns wird gekocht. Man kann Nshima (gekochter Maisbrei) riechen, zum Glück nicht im selben Raum, dafür aber mit Besuch, … tierischem Besuch, es sind Ziegen, sie schnuppern am Kittel, ob der vielleicht essbar ist. Ist er nicht!

Wir führen Reihenuntersuchungen durch. Hier werden wir an unsere Grenzen der Möglichkeiten gebracht, zum Beispiel, weil teilweise zur Behandlung die Einwilligung der Eltern fehlt.

Was am Ende bleibt:

Wir haben viele Zähne, nicht nur Weisheitszähne gezogen. Wir haben lange unbehandelte Fälle gesehen und wir haben wahnsinnig viele Eindrücke gesammelt. Es war ein Abenteuer in jeder Hinsicht. Und was bleibt, ist eine grundlegende Dankbarkeit für den Luxus, den wir hier in Deutschland haben und leben dürfen. Einen Teil davon abgeben zu können, hat uns glücklich gemacht.

Danke, dass wir diese unglaublichen Erfahrungen mitnehmen durften. Ein großes Dankeschön geht an alle Spender und Unterstützer dieser Aktion, denn jede Spende – groß oder klein, hat dazu beigetragen, den Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen.

Dr. Miriam Tienken, Alice Gruber, Vivien Klütsch

Ein Tropfen auf dem heißen Stein? Auf keinen Fall! Wenn wir nur einen einzigen Menschen geholfen haben (und das haben wir) oder einem Menschen den Keim gesetzt haben, etwas zu ändern (zum Beispiel eine Ausbildung zum dental therapist zu machen), dann ist es eine gute Sache und wir haben etwas bewirkt!