von Georg Heuzeroth (E-Mail: georg [at] heuzeroth.ch)
Nach ausgiebiger Vorbereitung, welche sich über Monate hinweg gezogen hat, war es für uns am 8. Februar 2020 endlich soweit: Wir reisten von der Schweiz nach Togo!
Wir, das waren die vier Zahnärzte Julia (Gruppenleiterin und Initiantin unseres Einsatzes), Mona, Michael und Georg, sowie unsere vier Assistentinnen Ines, Ivana, Sharina und Stephanie.
Anreise und Ankunft in Togo
Wir haben uns für die Flugverbindung über Brüssel mit „Brussels Airline“ entschieden, um uns das Umsteigen in Paris, „Charles de Gaulle“, zu ersparen. Am frühen Samstagabend setzte unsere Flieger in Lomé auf, wo die Einreiseformalitäten zwar etwas chaotisch, aber grundsätzlich komplikationslos verliefen. Die Visa, welche wir über das Togolesische Konsulat in Deidesheim organisiert haben, bewährten sich.
Am Flughafen haben wir dann unsere Kontaktpersonen vor Ort, einerseits Aimé (Repräsentant der DWLF und auch seiner eigenen Organisation „Action Développement Togo“) sowie Emanuel (Vizedirektor des Spitals in Aného) getroffen. Sie brachten uns in ein unprätentiöses Hotel, nicht weit vom Flughafen, wo wir die erste Nacht verbrachten. Das Abendessen haben wir in Gehdistanz vom Hotel in einem offenen Straßenrestaurant eingenommen. Mutig, was unsere untrainierten Mägen anbelangt, aber absolut authentisch, lecker und die Stimmung war bereits sehr gelöst.
Den Sonntag verbrachten wir primär mit Akklimatisation an die heiße, feuchte Luft und damit einen ersten Eindruck von Lomé zu gewinnen. Am Nachmittag konnten wir dann bei Aimé das Material, welches wir vor dem Einsatz versandt hatten, in Empfang nehmen. Der anschließende Transfer nach Aného dauerte ungefähr 1,5 Stunden, da trotz der eher kurzen Distanz viel Verkehr und mindere Straßenbauqualität für Verzögerung sorgt. Wir hatten uns im Hotel „Bella Bellow“ einquartiert, welches sehr einfach, aber sauber ist und klimatisierte Zimmer hat. Natürlich kam es immer wieder mal zu technischen Problemen, aber es wurde immer schnell für Lösung oder Ersatz gesorgt. Das Personal ist absolut zuvorkommend und sehr freundlich. Einziger Wermutstropfen war das fehlende WLAN, hier ist Selbstsorge angesagt.
Erste Woche in Aného
Der Montagmorgen begann mit dem offiziellen Empfang im Bürgermeisteramt, inklusive folkloristischer Darbietung und Konferenz mit Vertretern diverser Stellen, worauf die Einladung zum Mittagessen mit dem Bürgermeister folgte.
Nachmittags hatten wir Gelegenheit uns mit dem Klinikpersonal unter der Leitung von Omer, dem lokalen Zahnarzt, vertraut zu machen und unseren Behandlungsraum einzurichten. Uns wurde ein großer, klimatisierter Saal zu Verfügung gestellt, wo wir insgesamt vier Behandlungsplätze installierten. Zudem konnten wir im gleichen Raum unser Material- und Instrumentenlager einrichten, sowie eine kleine Garderobe für uns.
Ab Dienstag behandelten wir täglich Patienten. In Absprache mit dem Klinikpersonal entschieden wir uns von 09.00-15.00 Uhr durchgehend Patienten zu empfangen, ohne eine Mittagspause. Stattdessen begnügten wir uns mit Bananen und Getränken sowie der Internet-Verbindung, welche hier tadellos funktionierte.
Das Personal der Klinik unterstützte uns tatkräftig, insbesondere mit der Administration, Medikamenten-Abgabe und Übersetzungen, wenn Patienten nur den lokalen Dialekt sprachen. Zudem wurden uns Fahrer zu Verfügung gestellt, welche uns zwischen Hotel und Klinik chauffierten.
Die Behandlungen selbst waren größtenteils dem chirurgischen Spektrum zuzuordnen, wobei der meist starke Zerstörungsgrad der Zähne oft ein operatives Vorgehen bedingte. Trotzdem war spürbar, dass nach einigen DWLF-Einsätzen vor Ort eine Art “Grundversorgung” aufgebaut wurde, und dass es wiederkehrende Patienten gibt, teilweise auch mit Ansprüchen wie Zahnreinigung oder reine Kontrollen. Wo immer möglich, wurde jedoch Schmerzbehandlungen der Vorzug gegeben, da bei weitem nicht alle vorstelligen Patienten behandelt werden konnten.
Mühsam waren die ständigen Ausfälle der mobilen Behandlungseinheiten. Meistens waren nur zwei Plätze uneingeschränkt benutzbar, was sich stark auf die Behandlungskapazität auswirkte. Der mit Abstand wichtigste Mann für den Betrieb ist der Techniker Jacob, welcher die immer wieder auftretenden technischen Probleme mit Kreativität und Engagement löste. Wann immer möglich probierten wir uns durch Triage- und Anästhesieplätze so effizient wie möglich zu organisieren. Weiterhin hatten wir oft nicht genügend oder nicht die richtigen Instrumente. Die Sterilisation in der zentralen Abteilung des Spitals dauerte schlichtweg zu lange, weshalb wir uns entschlossen, unsere eigenen kleinen Dampf-Autoklaven zu nutzen. Diese wurden vom Klinik-Personal direkt in unserem Behandlungsraum aufgebaut und betrieben, was die Verfügbarkeit von Instrumenten stark verbesserte.
Ein weiterer zu klärender Punkt war die Medikation nach Eingriffen. Standardmässig wird vor Ort nebst Schmerzmitteln auch Antibiotika abgegeben. Dies ist aber aufgrund der hygienischen und klimatischen Bedingungen nachvollziehbar. Die Verfügbarkeit ist hierbei mehr die Herausforderung, da sich die Patienten Medikamente nicht selbst leisten können. Glücklicherweise ist das Bürgermeisteramt mit einer Stiftung in die Bresche gesprungen und hat diese zu Verfügung gestellt.
Wochenende in Lomé
Am Freitag, nach Arbeitsschluss, fuhren wir zurück nach Lomé. Wir haben uns entschlossen, anstelle eines Ausfluges ins Inland die Annehmlichkeiten der Hauptstadt zu genießen. Die Arbeitstage und das Klima sind durchaus intensiv und so konnten wir unsere Kräfte für die zweite Woche schonen.
Wir waren für zwei Nächte im Hotel „Sarakawa“, welches seine besten Tage zwar schon hinter sich hat, aber alles für ein erholsames Wochenende ermöglicht. In Lomé selbst bietet sich die Gelegenheit den großen Markt mit seinem bunten Treiben zu besuchen oder sich auch einfach ein wenig treiben zu lassen. Am Samstagabend haben wir uns nochmals mit dem Bürgermeister getroffen, welcher uns das togolesische Nachtleben näher brachte.
Zweite Woche in Aného und Tsévié
In der zweiten Woche gingen die Arbeiten in Aného im gleichen Modus weiter. Die Herausforderung in dieser Woche war, dass wir uns aufteilten und die Hälfte der Gruppe im Spital in Tsévié arbeitete, welches etwas weiter landeinwärts liegt. In dieser Klinik waren wir die erste Mission der DWLF. Dementsprechend umfangreich war auch der Koordinationsaufwand.
Zwar kennt die Spitaldirektorin die DWLF bereits aus Ihrer Zeit in Aného, wo sie vorher tätig war, aber die ganzen Abläufe und die Zusammenarbeit mit den Klinikpersonal mussten erst aus- und eingearbeitet werden. Gerade im Vergleich zum in den letzten Jahren rudimentär betreuten Aného zeigte sich deutlich, in welcher zahngesundheitlichen Unterversorgung die Bevölkerung Togos lebt, da die oralen Verhältnisse bei den Patienten in Tsévié durchaus als prekär bezeichnet werden können.
Die Platzverhältnisse waren schwierig, da wir in der Stomatologischen Abteilung untergebracht wurden, welche voll mit mehrheitlich defekten Gerätschaften ist und uns nur wenig Platz für unser Material ließ. Erschwerend kam hinzu, dass besonders zu Beginn der Strom regelmäßig ausfiel und nur ein Behandlungszimmer halbwegs klimatisiert war.
Das Klinikpersonal und die Ärzteschaft zeigten sich aber sehr zuvorkommend und unterstützte uns wo es nur ging. Meist mit uns vor Ort war auch der Belegzahnarzt Jules, welcher sonst an einigen Tagen selbst in dieser Klinik behandelt. Auch in Tsévié bewährte sich die durchgehende Arbeitszeit von 09.00-15.00 Uhr, besonders, da wir jeden Tag nach Aného zurückkehrten. Der Fahrer Etienne war die ganze Woche für uns zuständig, weshalb wir für ihn Übernachtung und Verpflegung in Aného organisierten.
Donnerstags haben wir je ein Schulhaus in Aného und Tsévié besuchten. Dort gaben wir zunächst vor versammelter Schülerschar Prophylaxe-Unterricht im Zähneputzen, bevor wir unsere mitgebrachten Spenden an Zahnbürsten und -pasten verteilten. Obwohl wir viel Material dabei hatten, reichte dieses bei den Hundertschaften an Kindern kaum aus, weshalb einige leider leer ausgingen.
Der Freitag war schließlich nur noch für die Inventur und Retablierung des Materials reserviert, wobei wir auch einen Teil unseres mitgebrachten Verbrauchsmaterial als Spende zurückließen. Die Koordination dafür erfolgte mit Homer.
Bevor wir dann nach Lomé zurückkehrten, hatten wir Gelegenheit uns vom Klinikpersonal zu verabschieden und ihnen als Dank kleine Mitbringsel aus der Schweiz zu übergeben. Anschließend waren wir nochmals mit dem Bürgermeister zum Mittagessen verabredet, wo uns in einer kleinen Zeremonie die Ehrenurkunden für unseren Einsatz übergeben wurden.
Rückkehr
Die letzte Nacht verbrachten wir nochmals im Hotel „Sarakawa“, wo wir dann auch als Gruppe die vergangenen zwei Wochen Revue passieren lassen konnten und in den noch frischen Erinnerungen schwelgten. Für den Samstag organisierten wir einen Late Check Out und benutzten den Flughafen-Transfer des Hotels. Unsere Befürchtung, dass die am gleichen Wochenende anstehenden Wahlen unsere Ausreise verkomplizieren würden, manifestierte sich glücklicherweise nicht und so konnten wir ohne jegliche Probleme unsere Heimreise antreten.
Fazit
Der zweiwöchige Einsatz in Togo war eine vielfältige und positive Erfahrung. Wir waren jederzeit willkommen und der Umgang mit uns war durch Herzlichkeit geprägt. Die Zusammenarbeit mit sämtlichen Stellen und Partnern war stets gut und zeugte von Hilfsbereitschaft. Viel Zeit verbrachten wir neben der zahnärztlichen Arbeit an Empfängen und Einladungen, da man nebst der fachlichen auch immer eine repräsentative Funktion ausübt und gern gesehener Gast bei lokalen politischen und administrativen Institutionen ist. Dessen muss man sich bewusst sein und es auch als Ehre anerkennen.
Obwohl im Land eine relative Stabilität und wirtschaftliches Wachstum existiert, grassieren Armut und Unterversorgung, insbesondere im zahnmedizinischen Bereich. In insgesamt 7,5 Arbeitstagen, haben wir 296 Patienten gesehen und dabei 325 Extraktionen gemacht, die Mehrheit davon operativ. Zudem wurden 45 Füllungen gelegt, eine endodontische Behandlung und 28 Prophylaxebehandlungen durchgeführt. Die Vorgabe, eine bestimmte Patientenzahl pro Tag zu bewältigen, war unrealistisch. Hier muss man sich den “Zahlenwünschen” der lokalen Behörden erwehren, da diese auch nicht aussagekräftig sind, was Aufwand und Umfang der Behandlungen angeht.
Die Behandlungskapazitäten könnten mit besseren Gerätschaften und ausreichend Material wesentlich erhöht werden. Eine eminente Bedeutung für ein effizientes Funktionieren dieses Einsatzes hat deshalb auch eine korrekte Inventur, Instandhaltung und Lagerung sämtlicher Ausrüstungsgegenstände. Ohne dieses läuft man Gefahr, den doch erheblichen Aufwand für einen solchen Aufenthalt nicht adäquat in Arbeits- und Unterstützungsleistung umsetzen zu können. Hinzu kommt, dass auch die unklare Situation bezüglich der Medikamente unbedingt vor einem Einsatz geklärt werden muss.
Sollte die Tätigkeit in Tsévié auch in Zukunft weitergeführt werden, empfiehlt sich eine klare Trennung der beiden Einsatzorte. Es ist nicht genügend Material vorhanden, um beide Standorte gleichzeitig effizient betreiben zu können. Zudem ist auch der logistische Aufwand enorm, wenn mit einer Delegation beide Kliniken betreut werden müssen.
Dies alles sind jedoch klassische Herausforderungen für die Arbeit in einem Umfeld wie Togo und sollen nicht davon ablenken, dass die Arbeit der DWLF hier sehr geschätzt wird und auch notwendig ist. Das äußert sich insbesondere in der guten Kooperation und dem freundschaftlichen Umgang vor Ort. Man kann den Einsatz in Togo uneingeschränkt weiterempfehlen!