von Carina Zimmer (E-Mail: carina_zi [at] hotmail.de)
Unser Namibia-Einsatz begann leider mit einigen bürokratischen Unannehmlichkeiten. Unser vierköpfiges Team reiste in zwei Gruppen an, jeweils zwei bzw. eine Woche vor Einsatzbeginn.
Teilnehmer:
- Carina Zimmer, AD
- Carola Benter, ADH
- Alexander Bothe, ADT
- Dr. Johannes Kürschner, AD, Gruppenleiter
Für die zweite Gruppe gab es bereits am Frankfurter Flughafen Schwierigkeiten. „Air Namibia“ hatte Probleme, das über den DWLF zugebuchte Freigepäck für die mitgebrachten Materialien dem Flugticket zuzuordnen und erst nach einigen Diskussionen mit mehreren Mitarbeitern tauchte die bestätigte Zubuchung in den Unterlagen auf und der zusätzliche Koffer konnte kostenlos mitgenommen werden.
Auch in Windhoek, beim Zoll mussten beide Gruppen ihre Unterlagen über die mitgebrachten Materialien vorzeigen. Während die erste Gruppe nach Vorlage des Memorandums of Understanding (MoU) problemlos einreisen konnte, reklamierte bei der zweiten die Zollbeamtin, dass im Memorandum keiner der Reisenden namentlich erwähnt sei. Außerdem gefiel ihr nicht unsere vorläufige Einreise als Touristen. Auch hier waren längere Diskussionen und das Herbeiziehen einer Vorgesetzten notwendig, um die Situation zu regeln.
Das erste Zusammentreffen beider Gruppen fand am Wochenende vor Einsatzbeginn, in der „Moon Mountain Lodge“, bei Solitaire, statt. Beim ersten gemeinsamen Abendessen wurde das weitere Vorgehen besprochen. Gruppenleiter Johannes hatte im Vorhinein Kontakt mit Dr. Stefan Rohr, Dr. Arthur Chigova und Thomas Mechnig, dem Inhaber einer medizintechnischen Firma in Windhoek, der auch die Geräte von DWLF wartet, Kontakt aufgenommen und erklärte, es gäbe Schwierigkeiten bei der Visumvergabe. Unser eigentlicher Plan war, in Windhoek das gemeinsame Mietauto abzuholen und noch am Sonntag nach Keetmannshoop aufzubrechen, wo Dr. Chigova uns mit der Einweisung für den Einsatz erwartete. Es stellte sich allerdings heraus, dass das Innenministerium unsere Arbeitsvisa zwar bewilligt hatte, wir aber am Montag noch einmal mit unseren Pässen persönlich vorstellig werden sollten, damit diese gestempelt werden konnten. Aufgrund der langen Fahrtzeiten nach Keetmanshoop und Rosh Pinah würde das unsere Ankunft am Einsatzort verzögern.
Also blieben wir noch in Windhoek, wo uns Thomas Mechnig am Montagmorgen zunächst zum Gesundministerium, Aussteller des MoU, brachte. Die dort Zuständige Beamtin für unseren Einsatz, Frau Lydia Haufiku, sammelte unsere Pässe ein und brachte sie zusammen mit den restlichen Unterlagen selbst zum Innenministerium. Währenddessen fuhren wir mit Thomas in dessen Firma zurück und nahmen von dort eine frisch reparierte mobile Einheit sowie diverse Materialien in Empfang.
Um 10:00 Uhr erhielten wir einen Anruf von Lydia, das Innenministerium wolle unsere Pässe nicht stempeln, obwohl wir vor Monaten alle Unterlagen eingereicht hatten und alles bereits bewilligt war.
Der Grund: vorherige Einsatzgruppen waren immer sofort zum Einsatz eingereist und hatten danach erst als Touristen das Land besucht, während unsere Gruppe bereits mit Touristenvisa eingereist war. Eine Ausstellung unserer Arbeitsvisa zum Zeitpunkt unserer Einreise hatte das Ministerium allerdings abgelehnt, da Arbeitsvisa in Namibia grundsätzlich erst vier Tage vor Arbeitsbeginn und nicht vor Einreise genehmigt werden. Unser kompletter Einsatz stand auf der Kippe. Wieder beratschlagte unser Team. Da wir in Namibia nicht nachts fahren wollten, würde sich unser Einsatz um weitere 24 Stunden verzögern, wenn wir Windhoek nicht bis spätestens 12:30 Uhr verlassen würden.
Wir kontaktierten Dr. Chigova mit unserem Problem. Dr. Chigova, Thomas Meching und Lydia klemmten sich an die Telefone und riefen all ihre Bekannten in den Ministerien an. Dann endlich um 12:00 Uhr erreichte uns der Anruf, die Pässe seien „längst“ gestempelt und müssten nur noch von uns abgeholt werden. Pünktlich um 12:30 Uhr überreichte uns Lydia – auch sichtlich erleichtert – unsere Pässe und wir konnten auf der B1 Richtung Keetmanshoop starten.
Dort begrüßte uns Dr. Chigova, er zeigte uns die Räumlichkeiten und wir besprachen die Einsatzplanung. Ursprünglich war geplant, dass unser Team eine Woche in Rosh Pinah und eine Woche in Oranjemund behandelt. Beides sind Minenstädte. Da wir jedoch einen Zahntechniker dabei hatten, war es einfacher, in Rosh Pinah stationiert zu bleiben, anstatt alle Laborsachen auf- und abzubauen und dadurch weitere Behandlungszeit zu verlieren.
Ein anderes Team, aus Lüderitz, sollte stattdessen die Behandlung in Oranjemund übernehmen. Unsere beiden namibischen Teammitglieder, Zahnärztin Dr. Victoria Kangwe sowie die pensionierte Arzthelferin Coerie, die bereits an vielen DWLF- Einsätzen teilgenommen hatte, waren bereits voraus gefahren, um unsere Zahnstation aufzubauen.
Nach einer Zwischenübernachtung im Schützenhaus Keetmanshoop fuhren wir also am Dienstagmorgen endlich zu unserer Station in Rosh Pinah. Untergebracht waren wir in der nur wenige hundert Meter entfernten „Four Seasons Lodge“.
Rosh Pinah ist eine private Bergbaustadt mit zwei ansässigen Zinkminen, die „Rosh Pinah Untertagemine“ und die „Scorpion Zink Tagebaumine“. „Scorpion Zink“ übernahm als Teil ihres sozialen Outreach-Programms die Kosten für unsere Unterkunft und Verpflegung in der „Four Seasons Lodge“. Zur Mittagszeit wurden wir mit Mahlzeiten in Styropor-Behältern aus deren Kantine beliefert sowie mit den obligatorischen hochzuckerhaltigen, namibischen Softdrinks.
Zielpublikum für unseren Einsatz in Rosh Pinah waren nicht die Minenarbeiter selbst, da diese von Rosh Pinah und „Scorpion Zink“ privat krankenversichert werden, sondern die mit den Arbeitern hergezogenen Familienangehörigen, die nur teilweise berufstätig und daher nur teilweise krankenversichert waren. Der Zugang zur Behandlung war allerdings öffentlich, sodass allen Bewohnern von Rosh Pinah und Umgebung die Behandlung in der Zahnstation möglich war und dementsprechend gemischt war auch der tatsächliche Patientenstamm.
In der Station waren zwei Behandlungsliegen mit mobilen Einheiten aufgebaut. Da wir keine Röntgenmöglichkeit hatten, beschlossen wir, ausschließlich Kontrollen, Füllungs- und Extraktionstherapie sowie im ästhetischen Bereich Zahnersatz durch Interimsprothesen durchzuführen. Da in der ersten Woche zusätzlich die Kontrollscreenings der ortsansässigen Grundschulen anstanden und wir drei Zahnärzte aber nur zwei Einheiten hatten, bauten wir eine weitere Screeningstation für die Schüler auf. Auffallend war, dass die meisten Schüler bereits sehr jung über sehr gute Englischkenntnisse verfügten. Für Patienten, die nicht ausreichend gut Englisch sprachen, übersetzte Coerie auf Afrikaans oder Dr. Kangwe auf Oshivambo.
Eine vierte Station belegte der namibische Augenarzt Dr. Sydney Mhlope, der das Team zum ersten Mal verstärkte. In der zweiten Woche fuhren er und Dr. Kangwe wieder nach Keetmannshoop, sodass wir ab dem Zeitpunkt mit zwei Zahnärzten die beiden Behandlungsliegen bedienten.
Durch die vorausgegangenen Unannehmlichkeiten zusammengeschweißt entstand bei uns im DWLF-Team sehr schnell ein enger Teamgeist. Während der Behandlungszeit sowie beim abendlichen Feierabendbier herrschte durchweg gute Laune. Schnell waren wir eingespielt und zu einer festen Gruppe zusammengewachsen.
Das Herzstück unseres Teams war „Patientenmanagerin“ Coerie, die die Wartenden mit ihrem energischem „Come! Come!“ quer über den Hof in die Station scheuchte, damit möglichst alle Patienten, die da waren, auch an dem Tag behandelt werden konnten. Häufig übersetzte sie nicht nur für uns Afrikaans in Englisch, sondern auch Deutsch-Englisch in Namibisch-Englisch.
Für gewöhnlich warteten morgens um 8 Uhr, wenn die Station öffnete, bereits mehrere Patienten vor unserer Tür und der Zulauf wurde im Laufe des Tages immer größer. Wir behandelten im Durchschnitt täglich ca. 50 Patienten am Stuhl. Dazu kamen die Kontrollen bei den Schulklassen. Fiel dabei etwas auf, wurde den Lehrern gesagt, dass die Schüler mit ihren Eltern wiederkommen sollten.
Das Highlight unserer Tage der zweiten Woche war dann, dass nach der Mittagspause die Kinder einzeln oder mit der Familie zur Behandlung kamen. Da Sprachbarrieren eher selten waren, fiel die Behandlung bei den meisten Kindern leicht und der ein oder andere Geschwistertoddler hielt seine Mutter auf Trapp und unser Team bei Stimmung.
Die allgemeine Mundhygiene war durchwachsen, einige Kinder konnten wir in der kurzen Zeit komplett durchsanieren, bei anderen waren die Läsionen so groß, dass wir nur Putzinstruktionen und eine eindringliche Aufklärung der Eltern betreiben konnten, vor allem bezüglich der häufig in der Warteschlange getrunkenen Softdrinks.
Das Camp kam im Ort sehr gut an. Im Vorfeld hatte es Flyerwerbung für unseren Einsatz gegeben. Häufig wurden wir auf der Straße erkannt und wissbegierig über unser Projekt und die beiden Highlights, den Augenarzt und den Zahntechniker, ausgefragt.
Die Möglichkeit, Zahnersatz herstellen zu lassen, war den Patienten neu. Leider dauerte es zu lange, bis sich das herumgesprochen hatte, sodass wir am Anfang recht wenig Nachfrage für Prothesen hatten und dann aber gegen Ende sogar Patienten abweisen mussten, da die Zeit nicht mehr für die Herstellung einer Prothese gereicht hätte.
Das Wochenende zwischen den beiden Behandlungswochen nutzten wir zu einem gemeinsamen Ausflug an den Fish River Canyon mit einer Übernachtung in der „Canyon Lodge“. Eine sehr interessante und für spätere Teams empfehlenswerte Exkursion.
Leider musste Alex schon am Samstag zurück nach Frankfurt fliegen. Carola, Johannes und ich blieben noch drei Nächte in Windhoek und besuchten an einem Tag zusammen mit Thomas und seiner Familie die „Okapuka-Ranch“ mit ihren zahlreichen Tieren und am anderen das Naankuse Wildlife Sactuary unweit von Windhoek. Am Abend bewirtete uns Thomas dann bei sich daheim, wo wir Gelegenheit hatten, sein köstliches, selbstgebrautes Bier zu verkosten. Schon fast profimäßig pflegt er sein Hobby.
Alles in allem schauen wir auf ein sehr erfolgreiches Camp mit zahlreichen Zahnkontrollen, -füllungen, -extraktionen und eingesetzten Interimsprothesen zurück. Auf den Bericht von Dr. Chigova verweisen wir hier gern. Doch der Wert unseres Aufenthalts liegt nicht allein in den Behandlungen, sondern auch in der Zusammenarbeit mit einem großartigen, motivierenden Team und in der Begegnung mit vielen spannenden Menschen.
Unser besonderer Dank gilt Dr. Arthur Chigova sowie Herrn Thomas Mechnig für die Organisation und ihren persönlichen Einsatz, Dr. Victoria Kangwe und Coerie sowie Dr. Sydney Mhlope für die hervorragende Teamarbeit und ihre frohe Laune.
Hinweis: Zu dem Einsatz gibt es auch einen offiziellen Report des namibischen Gesundheitsministeriums: