von Dr. Carina Angeli (E-Mail: zahnarztpraxis-angeli [at] freenet.de)
Erfahrungsbericht * Kapverden * Team April 2016
Unser Einsatzort war das Krankenhaus „Centro de Sãude“ in São Domingos auf der kapverdischen Insel Santiago. Unser Apartment lag im ca. 20 km entfernten Praia. Der Einsatzzeitraum war 4. bis 15. April 2016, also neun Behandlungstage und ein Tag für den Besuch einer Schule.
Unser Team bestand aus
- Dr. Wolfgang Pehl (GL),
- Dr. Carina Angeli,
- Dr. Karsten Rübeling und
- Julia Reichmann.
Wolfgang war als Gruppenleiter vorgesehen und arbeitete vor Ort als AD. Carina und Karsten waren ebenfalls als AD eingesetzt. Julia, selbst auch Zahnärztin, reiste aufgrund zu kurzer Berufserfahrung als ADH mit.
Dr. Ozias Fernandes, PMG des Hilfsprojektes, besuchte uns vor Einsatzbeginn in Praia und erklärte uns, er habe viel zu tun und könne daher nicht dauerhaft vor Ort sein. Uns würde aber der Zahnarzt Dr. Frederico Carvalhal als Helfer und Dolmetscher (Englisch – Portugiesisch) zur Verfügung stehen.
Wer genau als lokaler Helfer vom Centro de Sãude für uns vorgesehen war, konnten wir nicht feststellen, da wir immer mal auch wieder interessiertes Personal als Zuschauer hatten, welche sich später dann sogar selbst von uns behandeln ließen.
Anfänglich führte die Kinderkrankenschwester Beti die Patienten-Anamnesen durch, aber als wir merkten, dass sie Englisch sprechen konnte, setzen wir sie hauptsächlich bei uns im Behandlungszimmer als weitere Dolmetscherin ein und für die Organisation der Folgetermine. Mit der Zeit wurde sie unsere Hauptansprechpartnerin, auch bei der Übersetzung gegenüber anderen Angestellten vom Krankenhaus.
Die Angestellte Maria de Luz baten wir regelmäßig um die Reinigung und desinfizieren der benutzten Instrumente – die Feinarbeit der Reinigung (Zement- und Blutreste) mussten wir jedoch selbst übernehmen. Den täglichen Shuttle-Service führte der Fahrer Eliaz aus.
Am ersten Arbeitstag mussten wir erst einmal unser Behandlungszimmer einrichten. Die DWLF-Kisten standen bereits im Centro de Sãude bereit. Ursprünglich sollten wir in einem viel zu kleinen Zimmer arbeiten, das nicht einmal über ein Waschbecken verfügte. Nur im eingebauten Separee (eine Art Zimmer im Zimmer) gab es zwei Duschen, zwei Toiletten und zwei Waschbecken. Die Toilettenspülung funktionierte nicht, sodass wir stets selbst Wasser aus dem bereit stehenden Eimer ins WC-Becken schöpfen mussten. Dass wir das WC-Papier im bereitstehenden Eimer sammeln mussten, kannten wir ja schon vom Apartment. Handtuch und Seife waren nicht vorhanden, dafür ein Raumspray.
Auf Nachfrage bekamen wir dann auch das angrenzende, viel größere Zimmer (inkl. kleinem Waschbecken). Dieses machten wir zu unserem Behandlungs-zimmer mit zwei vollen Arbeitsplätzen. Auf insgesamt vier Tischen organisierten wir Anästhetikum und Co, alle Instrumente, das Kons- und Endo-Material sowie die Desinfektion/ Aufbereitung der benutzen Instrumente.
Das Vorzimmer nutzen wir für die Lagerung der restlichen Materialien, unsere Apotheke sowie zur Sterilisation in der vorhandenen Schimmelbusch-Trommel (aufgrund der Wärme-Entwicklung sehr sinnvoll, dies nicht im Behandlungszimmer durchzuführen) und zwei normale Stühle dienten uns als Rezeption (Vergabe weiterer Termine, Sammelstelle für die Patientenakten etc.).
Für Frederico bauten wir im Vorzimmer ebenfalls einen voll funktionstüchtigen Arbeitsplatz auf (der krankenhauseigene Behandlungsstuhl wurde nach drei Tagen endlich auch gefunden/gebracht). Frederico behandelte (nach Befundaufnahme durch unseren Gruppenleiter und mit konkreter Arbeitsanweisung) ca. 10 Patienten.
Nach etwa zwei Tagen etablierte sich folgende Routine:
Gegen 8 Uhr Abholung durch Eliaz am Apartment; 30 minütige Autofahrt nach São Domingos, Arbeitsbeginn gegen 8:30 Uhr. Im Gang des Krankenhauses warteten bereits die ersten Patienten auf uns. Anamnese erhoben die Portugiesisch sprechenden Ange-stellten des Krankenhauses. An den beiden Behandlungsstühlen folgende Team-Aufteilung: Wolfgang/Carina und Karsten/Julia; benutzte Instrumente wurden in die Desinfektionslösung gelegt, später von Maria abgewaschen, von uns kontrolliert und getrocknet. Wenn der Vorrat knapp wurde haben sich Wolfgang und Karsten um die Sterilisation der Chirurgie-Instrumente gekümmert (meist während der Mittagspause und kurz vor Feierabend).
Die Mittagspause wurde frei gewählt – irgendwann zwischen 12 und 13 Uhr für ca. 30 Minuten; danach arbeiten bis ca. 15-16:30 Uhr (bis alle Patienten der Tagesliste – ca. 25 bestellte Patienten, meist jedoch ca. 30-35 Patienten täglich – behandelt waren), Rückfahrt ins Apartment.
Wir waren das erste DWLF-Team in São Domingos, einer Provinz im Inselinneren mit ca. 10.000 Einwohnern, welcher vor Ort kein einheimischer Zahnarzt zur Verfügung steht. Dementsprechend groß war der Behandlungsbedarf: Wir hatten an den neun Behandlungstagen zusammen 299 Patienten, führten u.a. 267 Extraktionen durch, legten 144 Füllungen und entfernten bei 49 Patienten Zahnstein.
Unser jüngster Patient war zwei Jahre alt und nahezu alle Milchzähne waren
großflächig kariös zerstört. Wir sahen aber auch über 80-Jährige, denen kaum Zähne fehlten, die eher an massiven Abrasionen litten. Der Großteil der Patienten waren Kinder und Jugendliche. Weiterhin haben wir viele Fälle von Fluorose im bleibenden Gebiss gesehen. Erschreckend war auch die Zahl der traumatisierten Zähne in der Oberkiefer-Front. So bauten wir ca. 12 Front-zähne wieder auf, zweimal war der Zahnerhalt nur in Kombination mit einer Wurzelfüllung und anschließender Wurzelspitzenresektion mög-lich.
Inklusiv aller erbrachten Leistungen hatte unser Hilfseinsatz ein Gesamtvolumen von ca. 25.000 €.
Die zwei Zimmer durften wir dann in Rücksprache mit DWLF und dem Centro de Saude für das Folge-Team so hinterlassen, wie wir sie eingerichtet hatten, sodass das Mai-Team gleich in die Vollen starten konnte.
Am zehnten Tag fuhren wir in eine Schule irgendwo in der Prärie, in einem ganz kleinen Dorf, weit weg von der Hauptstraße zwischen Praia und São Domingos. Die Schüler trafen wir in ihrem jeweiligen Klassenverband (1. bis ca. 7. Klasse) mitten im Unterricht, den sie dann für uns kurz unterbrachen. Wir verteilten die mitgebrachten Zahnbürsten und zeigten ihnen die KAI-Putzmethode. Mit unserer eigenen Zahnbürste machten wir ihnen dies vor, Beti übersetze ins Portugiesische und zeigte alles ebenfalls am großen Zahn-Modell. Auf Nachfragen erfuhren wir von den Kindern, dass sie zu Hause dreimal täglich Zähne putzen würden, aber keiner ihnen gezeigt habe, wie man dies macht. Wir sahen kariesfreie Wechselgebisse, aber auch tiefzerstörte Milchmolaren, denn keines der 80 Kinder war vorher jemals bei einem Zahnarzt.
Unser DWLF-Team hat im Großen und Ganzen recht gut harmoniert. Wenn man sich nicht kennt, zwei Wochen zusammen arbeitet und dann auch noch zusammen wohnt, kann es schon mal zu Reibereien kommen, aber wenn man für ein gemeinsames Ziel steht, klappt es recht gut.
Das gesamte Krankenhaus-Team war uns gegenüber sehr positiv eingestellt und zeigte sich stets kooperativ, auch wenn mangels Sprachbarrieren nur wenig Konversation möglich war. Ans Herz gewachsen sind uns gerade die Personen, mit denen wir am meisten zu tun hatten: die Krankenschwester Beti sowie unser Fahrer Eliaz, der uns auf der Heimfahrt auch gern über Umwege zurückbrachte, um uns noch ein wenig seine Insel zu zeigen. Schade, dass nur Beti Englisch konnte – und wir kein Portugiesisch!
Auch wenn der Flughafen-Shuttle beide Male sehr gut geklappt hat, wurden wir vom PMG sowie unserem Ansprech-partner/Dolmetscher vor Ort ent-täuscht. Nach unserer Rückkehr wurden alle Kritikpunkte (mangelnde Hilfs-bereitschaft, zu wenige Dolmetscher und Assistenten im Behandlungsraum, mangelnde Personalanzahl für die Instrumentenaufbereitung, Austausch/Ersatz defekter Werkzeuge) bereits mit der Stiftung diskutiert und Änderungswünsche geäußert. Entsprechende Änderungen wurden zeitnah auf den Weg gebracht und erleichtern hoffentlich den Nachfolge-Teams die definitiv sehr notwendige zahnärztliche Arbeit in São Domingos und den weiteren Orten auf Santiago und Fogo.
Berichte zum Einsatz im Netz: